Real McKenzies-Interview Teil 2

Wer sich beim ersten Teil gewundert hat, warum Paul McKenzie als klassischer Musiker, Jazzer, Rebell, Shitkicker und Kläffer annonciert wurde; hier die Lösung des Leserrätsels...

Bettina: Jahrelang habt ihr in ein und der selben Formation auf der Bühne gestanden, und zwar so:

 

 
 

Seit kurzem seid ihr anders gruppiert: Jamie Fawkes und Matt MacNasty haben neuerdings die Plätze getauscht. Verrätst du uns das Geheimnis hinter diesem Wechsel?
Paul McKenzie: Nein, aber man soll alle immer am Rätseln halten (lacht)! Alles was wir gemacht haben, ist: einen Platz zu tauschen. Wir haben eine Person von der einen auf die andere Seite der Bühne versetzt. Das ist alles.

Bettina: O.k., das haben wir ja gemerkt, aber wir möchten trotzdem gerne wissen, was dahinter steckt.
Paul McKenzie: Huhuhuuuu.... (macht gruselige Geräusche)! Naja, weil wir halt immer unsere Wahrsagerin über die Zukunft befragen. Und die hat uns gesagt (mit donnernder Zauberer von Oz-Stimme sprechend): "Wenn ihr den Bass nicht auf die andere Seite der Bühne versetzt, wird etwas ganz, ganz Fürchterliches passieren!" Und unserer Wahrsagerin vertrauend, mussten wir uns dem Spruch unterwerfen. Ich wünschte, ich hätte etwas Interessanteres zu berichten. Aber das ist die reine Wahrheit.

Punk'n'Kilt mit Tartan-Bagpipe

Bettina: Alles klar (lacht). Da wir ja nun schon bei der Zukunft sind, können wir dann auch zu euren Plänen übergehen. Die nächsten Tourdaten standen leider nicht auf eurer Homepage vermerkt...
Paul McKenzie: Yup, wir touren so viel, dass wir uns in letzter Zeit wirklich nicht um die Aktualisierungen kümmern konnten. Wir haben jeden Tag eine Show. Und das seit neun Monaten! Wir wissen, dass die Information via Internet für die Fans absolut wichtig ist. Das nehmen wir direkt in Angriff, sobald die Tour beendet ist.

Bettina: Eure Tour endet im August in Potsdam. Was macht ihr danach?
Paul McKenzie: Was wir nach der letzten Show machen werden, ist: wir gehen nach Hause und versuchen, unser Leben wieder herzustellen (lacht sehr). Und einen Job zu finden, (lacht jetzt wie ein in einer Gummizelle eingesperrter Irrer in einem B-Movie). Und dann werden wir eine weitere Platte schreiben. Und sobald die dann rauskommt, beginnt all das von Neuem! Nur diesmal in Eigenregie - und nicht mit Management! Alle bisherigen Real McKenzies Plattenaufnahmen haben immer unter Hochdruck stattgefunden; aber für die nächste Platte werden wir uns richtig Zeit nehmen, um das Aller-Allerbeste rauszubringen!

Bettina: Und wie lange werdet ihr im Studio verschwinden?
Paul McKenzie: Wer weiß das schon so genau? Wir werden so lange brauchen, wie wir eben brauchen werden.

Bettina: Ah, ihr möchtet diesmal besonders kreativ sein? Ihr seid doch in den letzten Reviews schon sehr gelobt worden. Überall hat man Rosen gestreut, dass eure Arrangements bestens passen und von Longplayer zu Longplayer immer besser werden...
Paul McKenzie: Naja, ich denke, das liegt hauptsächlich daran, dass wir von Mal zu Mal immer etwas mehr Geld für unsere Plattenprojekte zur Verfügung hatten. So konnten wir zeigen, dass wir immer besser werden. Und vielseitige Aspekte in die Musik einbringen. Ich meine, wir lieben alle Punkrock. Aber nimm mich zum Beispiel: ich bin gelernter klassischer und Jazz-Musiker!

Bettina: Duuu? Ist nicht wahr!
Paul McKenzie: Laaaaange, bevor Punkrock in mein Leben trat! Ich habe Jazz gehört und gespielt; und zwar lange vor meiner ersten Punk-Show im Jahr 1976.

Bettina: Welchen Jazz? Paul McKenzie: John Coltrane, Charlie Parker, Thelonious Monk… Ich könnte zig Musiker und Bands aufzählen...

Rebels without Jazz

Bettina: Und, liebst du den Jazz immer noch?
Paul McKenzie: Natürlich! Hör zu: Die Jazzer der ersten Stunde waren die Punkrocker ihrer Zeit! Und Sie waren verrückter als Bastarde! Wenn wir also darüber sprechen, was wild und unakzeptabel ist: nimm auch die Beat-Bewegung in den 50-er Jahren dazu! Unter Beachtung aller Tatsachen und Einflüsse kann ich wirklich sagen, dass die Beatkultur eine Abteilung des Punkrock ist! Bei beiden dreht es sich nur darum, Rebell zu sein! Darum geht's! Das genau ist das Schlüsselwort. Ich könnte natürlich auch jede Menge klassischer Musiker nennen, die in ihrer Zeit nichts anderes als Rebellen waren.

Bettina. Wen hast du da im Blick?
Paul McKenzie: Ich möchte jetzt keine Namen aufzählen. Du weißt genau, was ich meine. Es geht um Rebellion als Konzept und nicht notwendigerweise als Mode oder politische Einstellung. Und da sind wir schon wieder beim Ceilidh...

Bettina: Du hast davon gesprochen, dass jeder von euch mehrere Einflüsse anderer Bands einbringt...
Paul McKenzie: Naja, wir haben viele, viele verschiedene Einflüsse, die in die Band eingebracht werden: Von AC/DC zu Cherry Reed zu Mozart zu John Coltrane zu Slayer. Ich meine, jeder von uns liebt ein breites Spektrum an musikalischen Richtungen, und alle diese Einflüsse beeinflussen auch unsere Musik. Ich bin wirklich gespannt, wie sich all das auf unsere nächste Platte auswirken wird... Das wird ein absolut spannender Prozess; weil ich selbst noch nicht weiß, wo's hingeht. Wir wissen's alle noch nicht.

Bettina: Ihr habt also noch kein Konzept, noch keine genauen Ideen?
Paul McKenzie: Natürlich noch nicht, weil wir noch nicht einmal die aktuelle, neunmonatige Tour beendet haben. Kannst du dir vorstellen, was das heißt: neun Monate pausenlos auf Tour? Und wie das schlaucht? Bestimmt werden wir erst einmal zwei Monate brauchen, von all dem auszuspannen und zu erholen. Jeder Andere wäre bestimmt kaum in der Lage, auch nur zwei Monate so ein Programm durchzustehen. Und schon gar nicht neun lange Monate...

Bettina: Ihr tankt Energie für eure neuen Projekte....
Paul McKenzie: Ich habe gar kein Problem damit. Überhaupt keins. Aber jedem, der das nicht durchstehen würde, kann ich nur sagen: "Was dich nicht umbringt, macht dich stärker!" Wachsende Anforderungen halten dich am Laufen, so sieht das aus! Obwohl wir mit dieser Tour eine Menge Leute glücklich gemacht haben, einen guten Job hingelegt haben und all das großartig war; jetzt müssen wir uns zurück ziehen und ein neues Album aufnehmen; und das soll spektakulär werden. Naja, und dann fängt die Tourerei von Neuem an. Wir brauchen halt nur ein wenig Zeit, um "zu Hause" zu spielen. Um unsere Köpfe gerade zu rücken und vorzutäuschen, dass wir ganz normale Leute sind - für einen oder zwei Monate. Vielleicht aber auch für sechs...

In den Startlöchern für die neue Platte

Bettina: Get real?
Paul McKenzie: Ja, ja! Ich meine, dass wir das schaffen können. Wir haben uns von der Realität mittlerweile so weit entfernt, dass wir wahrscheinlich nie mehr zu dem Konzept der Realität zurückfinden werden, das die meisten Menschen wahrscheinlich haben. Damit meine ich: einen normalen Job mit normalen Arbeitszeiten zu haben; wie etwa ein Fabrikarbeiter. Ich meine, davon sind wir so weit weg... Und werden ganz gewiss nie mehr zu dieser Realität zurück kehren, denn wir brauchen unsere ganz spezifische. Jeder von uns hat die Entscheidung getroffen, Mitglied einer Band zu sein. Und jeder von uns möchte ein Individualist in einer Band sein. Ich selbst habe mich vor zehn Jahren für diesen Lebensstil entschieden. Oder vor noch längerer Zeit. Ich hätte ja auch eine normale Karriere starten können (lacht)...

Bettina: Na was, du hast doch eine Karriere; und Erfolg.
Paul McKenzie: Also, weißt du (atmet tief durch)... Natürlich muss ich auch eine gewisse Disziplin haben: pünktlich bei den Locations ankommen, Plattenaufnahmen diszipliniert abwickeln und all das. Aber wir sind doch nicht in den Hitparaden unter den Top 40 vertreten! Weißt du, ich bin dankbar, sehr dankbar für das Erreichte. Und trotzdem: ich bin so ein Shitkicker, dass ich all das schon Morgen aufgeben könnte. Und einen Job annehmen. Aber ich würde auf jeden Fall auch eine Band haben. Genau einen Tag später würde ich schon eine Band zusammen getrommelt haben. Das müsste ich wirklich tun.

Bettina: Als klassischer Musiker spielst du bestimmt diverse Instrumente?
Paul McKenzie: Oh ja: Klavier, Trompete, alle Saxophone, Horn, Oboe; und all diese Instrumente habe ich fürchterlich intensiv gespielt. Aber das mache ich nicht in dieser Band...

Bettina: Aber genau das hast du gemacht...
Paul McKenzie: Ja, aber nicht in dieser Band. Alles, was ich den Real McKenzies geben kann, ist meine Stimme. Da ist absolut kein Platz für Anderes, weil genau dieser Part so wichtig ist und genau so gebraucht wird.

Bettina: Aber warum bist du denn Sänger, wenn du Instrumente gelernt hast?
Paul McKenzie: Ich betrachte mich selbst nicht als Sänger. Ich bin nur ein Kläffer. Hör dir mal meine Stimme an. Ahoooooooooooowwww (heult wie ein Wolf)!

Bettina: (lacht) Ein netter Schluss für unser Gespräch...
Paul McKenzie: Da stimme ich zu. Lass die Leute selbst entscheiden, wer ein Sänger oder Kläffer ist, mh? Wenn sie meine Stimme mögen und ich Ihnen eine schöne Zeit schenke - dann fühle ich mich erfolgreich! Und wenn nicht: dann geht! Man kann nicht jedem gefallen....

Lady Wow aka Bettina

Ein fettes Dankeschön für die freundliche Unterstützung:
Carlos, Bloody Baron Records
Mutti, Chrisi und Kai, Muttis Booking Büro
Frieder, Freelancer Muttis Booking Büro
Matt MacNasty, The Real McKenzies
Claudia

Fotos:
Muttis Booking Büro
Arjen van der Merwe
The Real McKenzies