Real McKenzies-Interview Teil 1

Paul McKenzie ist vielfältig wie sein Kilt. Sorry, Leute, aber ausgerechnet dieser ultra abgedroschene und -gegriffene Spießerspruch beschreibt den Mann perfekt. Was der alles kann und ist: Punkrocker, Diplomat, klassischer Musiker, Jazzer, Rebell, Shitkicker, Kläffer - und auch noch ein cooler, kluger und lustiger Gesprächspartner. Deshalb hier des Opus Teil eins unseres Gesprächs beim Backyard Freakness Fest am 24. Juli 2004.

Bettina: Erneut willkommen in Köln; ihr habt erst am 27. Januar im Underground gespielt...
Paul McKenzie: Ja, ich erinnere mich...

Bettina: ... und, hat euch die Show auch Spaß gemacht?
Paul McKenzie: Na klar, das ist eine sehr nette Bühne, guter Sound, gute Monitore - und wenn ich gute Monitore und einen guten Sound habe, macht mich das sehr glücklich. Weil das nämlich die Werkzeuge sind, die ich für eine gute Vorstellung brauche. Ich arbeite ja mit meiner Stimme; und wenn ich mich selbst nicht hören kann, bedeutet das unweigerlich, dass ich keine Möglichkeit für eine gute Performance habe.

The Real McKenzies in natura...

Bettina: Eure Fangemeinde ist ja recht gemischt: Punks, Skinheads... Ihr geht damit sehr entspannt um...
Paul McKenzie: Naja, die Sache ist so: uns hören nicht nur Punks und Skins; unser Publikum sind Jüngere, Ältere, Leute die sich für keltische Musik interessieren, letztlich also eine ganze Menge Individuen. Und mein Job ist, Diplomat zu sein; diplomatisch zu sein. Ich möchte all diese Leute nicht aufstacheln und gegen einander aufhetzen. Ich möchte, dass jeder jedwede politischen Aspekte draußen vor lässt und eine gute Zeit bei unseren Konzerten hat.

Bettina: Aha! Deshalb hast du wohl auch wieder einige politische Statements von der Bühne zum Besten gegeben. Ich habe nicht so genau mitbekommen, über was du gemault hast...
Paul McKenzie: Weil ihr ordentlich was getrunken habt, stimmt's?

Bettina: Genau, wir konnten kaum mehr stehen und ich habe an der Stelle just nicht zuhören können, weil ich mich deshalb am Merchandising-Stand festschnallen musste (Lach)! Und trotzdem: wenn ich ein Konzert besuche, möchte mich auf die Musik konzentrieren und schätze politische Statements und Gesinnungs-Instruktionen von der Bühne her nicht. Aber da wir schon dabei sind: gibt es eine Art politisches Statement, für das ihr steht? Ceilidh etwa? (Anmerkung: Ceilidh (sprich: kee-lee) ist Gälisch und bedeutet "a wicked party which carries on for days" - wörtlich übersetzt holpert das als "eine lasterhafte Party, die mehrere Tage andauert".)
Paul McKenzie: Ceeeeiliiiiiidh! (spricht's langgezogen und genussvoll aus) Oh, na klar! Und das Prinzip ist an sich ganz einfach zu erklären. Ceilidh hat aber auch eine ganze Menge mit Freiheit zu tun! Würde ich zum Beispiel nach Bayern ziehen und dort ein Ceilidh veranstalten, würden die Nachbarn möglicherweise sofort die Polizei rufen...

Bettina: (Lach)
Paul McKenzie: ...um sofort zu prüfen, was da vor sich geht. Und das ist respektlos gegenüber Jemandes Freiheit. Und das hat Konsequenzen auf die Wahrnehmung hinsichtlich der Ausübung der individueller Rechte und natürlich auch das Einstehen
für die Ausübung der individuellen Rechte... Ceilidh übersteigt alle Formen dessen, was unter den Worten Regierung, Parteien etc. firmiert... Verstehst du, was ich meine?

Bettina: Spielst du auf das im amerikanischen politischen Denken tief verwurzelte Konzept der "multiplicity of interests and diversity of opinion" an?
... und wie Paul McKenzie sie für's Onlinezine gezeichnet hat!
Paul McKenzie: Ja. Und durch Ceilidh geschieht folgendes: es verschmelzt alle Parteien und macht aus allem ein Ganzes, und deshalb ist Ceilidh so bedeutsam!

Bettina: Aber was ist denn genau die Essenz von Ceilidh, wenn du darin ein politisches Konzept siehst? Zuerst einmal vermute ich hinter einer "lasterhaften Party, die mehrere Tage andauert" etwas anderes. Der Dreh zu deiner individuellen Freiheit kommt mir da nicht unmittelbar in den Sinn...
Paul McKenzie: Naja, ich meine das Recht, das Recht zu haben, Ceilidh zu praktizieren! Eine Menge Leute möchten nicht, dass wir das tun, und zwar aus folgendem Grund: wir könnten dadurch einen Moment der Inspiration gewinnen. Und so könnten wir schließlich ihre kleine Propaganda und Berechnung durchschauen. Und würden auf diese Weise mal für einen Moment Bespaßungen wie Fußball und Hockey vergessen und endlich beginnen, in politischen Kategorien zu denken - und das macht uns halt gefährlich...

Bettina: Also praktizierst du von der Bühne aus nicht propagandistisch, sondern nimmst dir nur das Recht heraus, dein Recht auf Party durchzusetzen...
Paul McKenzie: Ja, aber... Ja, na klar, oberflächlich betrachtet scheint das zuerst einmal so zu sein, aber darunter ist das ein sehr kompliziertes Ideal; denk mal darüber nach... Ich möchte, dass alle Leute darüber nachdenken; ich frage nicht nach irgendetwas - denkt einfach nach!

Bettina: O.k., ich geb's weiter und alle denken nach... Nach all der Theorie noch mal konkret zum Konzert: in den ersten Reihen ging es ja ganz nett zur Sache. Das Gebounce und Gebashe war mir einen Tacken zu kernig...
Paul McKenzie: Du möchtest über die Gewalt vor der Bühne sprechen. Also, wenn ich sehe, dass zwei große Jungs sich bashen und Spaß dabei haben, habe ich absolut kein Problem damit. Aber wenn ich sehe, dass Frauen verletzt werden, die natürlich das gleiche Recht haben, da vorne zu stehen, geht das gar nicht! Ich verstehe, dass gerade vorne im Gewühl die Dinge außer Kontrolle geraten können. - Aber ich denke, gerade deshalb sollte dort ein Minimum an Kontrolle walten. Benehmt euch fuckin' wild, kickt die Hölle aus euren Kollegen, aber, verdammt nochmal... (sucht nach Worten)

A man takes his chances

Bettina: Rücksicht nehmen?
Paul McKenzie: Eine bestimmte Anzahl von Leuten steht halt darauf; und ich mag die Elektrizität, die sie erzeugen, denn ich bin selber ganz genau so! Andererseits darf nicht auf Leute geschossen werden, die halt einfach andere Parameter haben. Denn so kann die Stimmung explodieren. Hast du mal genau hingeschaut? Und dabei werden dann Leute verletzt. Die schweren Jungs vorne verhalten sich aber wie Boxer im Ring. Das sind die beiden Seiten der Geschichte. Aber was ich meine, ist: Leute, die die ultra-Intensität in den vorderen Reihen nicht möchten, haben schlicht und einfach andere Parameter; und wenn du halt nach ganz vorne möchtest, gilt das Prinzip "Geh Risiken ein, lass es drauf ankommen!" Also, ich hatte schon die Nase gebrochen, diverse Zähne verloren, dicke Lippen... Und wenn ich mich ins Getümmel begebe kann nicht jammern "Weeheeehheee, mummy, mummy!" (macht Kindergeheul nach), weil ich ja selbst da rein gegangen bin - und ganz vorn heißt es eben "take your chances!"

Bettina: Siehst du Unterschiede zwischen den Fans in Deutschland, den Staaten oder Kanada?
Paul McKenzie: Kaum, die sind wirklich ganz gering. Punkrocker sind überall auf der Welt gleich, das muss ich dir wohl kaum erklären. Natürlich sind Umwelt und politische Milieus überall unterschiedlich und ändern die Bedingungen für sie ein wenig - aber Punkrocker sind auf der ganzen Welt ein und die selben!

Bettina: Überall eine Art Opposition zu den herrschenden Verhältnissen?
Paul McKenzie: Ich bin wirklich sehr glücklich, sagen zu können, dass selbst in einem Platz auf der Welt wie in Amerika etwas in einen Kern von Punkrock gemündet ist und nicht nur in etwas Fürchterliches wie texanische Rednecks... (lacht bitter)

Bettina: Die seht ihr nicht so gerne im Publikum, nehme ich an?
Paul McKenzie: Also, ich gebe einen Scheißdreck darum, wer kommt, um unsere Show zu sehen. Ich möchte absolut, dass jeder kommt, um uns zu sehen. Die Leute sollen dann nur ihre politischen Ansichten draußen vor den Tür lassen... Daran bin ich nicht interessiert. Ich interessiere mich für Rock'n'Roll und die Politik des Individualismus, das Recht der zu sein, der man ist. Das ist alles.

Bettina: Also bist du an dieser Stelle diplomatisch?
Paul McKenzie: Hm, es ist eher eine Art "schalte dein Getriebe in neutrale Position, komm rein und hab deinen Spaß". Du kannst deine Maschine ohne Ende feiern, so lange du nicht nach außen trittst. Trägst du dann deine politischen Einstellungen vor dir her, wird das nur Negatives motivieren. Und darauf stehe ich gar nicht.

Bettina: Jetzt haben wir eine Menge über euer Publikum und Politik gesprochen. Was meint ihr eigentlich mit "Up yer kilt"? Doch wohl kaum, dass wir auf Kommando unsere Röcke bzw. Kilt lüften sollten...

...mit kalter Gurke

Paul McKenzie: Was bedeutet "Up yer kilt"? Also, das bedeutet, mhhhhh... (räuspert sich, ringt nach Worten) Naja, das ist eigentlich ziemlich negativ und bedeutet, jemandem einen "up yer kilt" zu versetzen - etwa mit einer kalten Gurke! (Gurke sagt er auf deutsch, was sich bei ihm in etwa wie "Göhrrrkaah" anhört)

Bettina: Wie bitte, was? Habe ich richtig verstanden: kalte Gurke???
Paul McKenzie: Ja, eine kalte Gurke, und zwar "up yer kilt"! Stell dir zum Beispiel ein Arschloch vor, dass dir auf die Nerven geht. Und du sagst "Up yer kilt, nimm das!" und nimmst einen harten Stein oder eine fuckin' kalte Gurke, nimm das! Genau das bedeutet "up yer kilt".

Bettina: Also eine Art Slogan...
Paul McKenzie: Yeah. Die Schotten aus der Glasgow neigen dazu, hart und grausam zu sein; tja, und sie haben eine ganze Menge wundervolle umgangssprachliche Wendungen in dieser Region. Hooooooraaaaay! (hört die Menge vor den Toren grölen und jubelt laut mit) Komm, lass uns 'ne Pause machen, ich hole uns ein Bier! (hechtet los und holt Bier)

Lady Wow aka Bettina

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Fotos:
Muttis Booking Büro
Arjen van der Merwe
The Real McKenzies