Girlscamp in Bad Salzuflen - Teil 1

In Zusammenarbeit mit meiner Lieblingsmuse, Frau Antje aus B., entstand diese etwas schlüpfrige Geschichte. Zunächst veröffentlicht im mächtigen Pankerknacker Fanzine wollen wir Euch diese herrliche kleine Episode aus dem Leben dreier gelangweilter Kleinstadtfrauen nicht vorenthalten.
Teil 1 ist noch gerade so jugendfrei - freut Euch also auf Teil 2 !

Hier gehts zu Teil 2

Wie sie sich freuen. Alle um mich herum freuen sich. Ich versuche ja auch, mich zu freuen. Ehrlich. Aber an diesem grauen, gar nicht sommerlichen Sommerabend (ob wir dieses Jahr noch einen richtigen Sommer bekommen?) fällt es mir schwer, eine ähnliche teenagerhafte Vorfreude zu empfinden wie meine besten Freundinnen Lisa und Andrea. "Es ist unser schönes Wochenende, das wir uns verdient haben!", sagen sie immer zu mir. Ja, ICH habe es mir verdient...
"Frau Leipold, kommen Sie bitte mal zu mir rüber.", höre ich die Stimme meines Chefs durch das Interkom und meine ohnehin bereits grauen Gedanken verfinstern sich vollends. Ich habe mich schon lange daran gewöhnt, dass er mich immer noch siezt. Aber er kann auch ganz anders. Manchmal, wenn wir abends noch spät im Büro sind, erzählt er mir, wie einsam er sich fühlt und welche Last für ihn der ganze Druck des Direktorpostens bedeutet und wie wenig seine Frau davon versteht. In solchen Momenten teilt er, ohne darüber nachzudenken, ob ich etwas damit anfangen kann, seine intimsten Gedanken mit mir. Einmal hat er sogar geweint. Bis heute frage ich mich, warum ich an diesem Tag das erste Mal mit ihm geschlafen habe. Es ist ein übles Klischee, der Herr Direktor und seine Sekretärin. Danach ist es noch ein paar Mal passiert, aber immer noch heißt es "Frau Leipold". Mensch, ich heiße Karin!
Dieses Mal war es keine rührselige Geschichte, sondern ein paar kleine Arbeitsaufträge. Routine-Jobs, die für Frau Chefsekretärin Karin Leipold zu wenig Herausforderung bieten, um ihr die Melancholie zu nehmen. Mein Mann freut sich, weil er ein Wochenende für sich hat, meine Kinder freuen sich, weil sie bei meinem Mann länger aufbleiben dürfen. Lisa und Andrea versichern mir ständig lästig schnatternd, welche große Vorfreude sie hinsichtlich unseres Wochenendes auf der Beautyfarm Mykonos in Bad Salzuflen ergriffen hat. Dabei keimt in mir manchmal der Verdacht auf, dass sie deswegen mit ihrer Vorfreude so penetrant sind, weil sie sich selber erst noch davon überzeugen müssen. Aber natürlich freue ich mich mit.
Worüber würde ich mich eigentlich wirklich einmal freuen? Vielleicht wenn mein Mann mich mal wieder ohne Anlass zum Essen einladen würde. Wenn meine Kinder mal was anderes als eine gute drei aus der Schule nach Hause brächten und mich nicht zu allem Überfluss nahezu nötigen würden, ein solche mittelmäßige Leistung auch noch zu loben. Wenn ich schon beim Wünschen bin: ein Privat-Konzert von Robbie Williams, nur für mich und nackt versteht sich, wäre wohl die Krönung.

Aber ich darf nicht vermessen sein. Eigentlich geht es mir besser, als meine dauernde Nörgelei ahnen lässt.

Es ist noch früh am Morgen und die U-Bahn steuert knatternd den Hauptbahnhof an. Zugegebenermaßen fühle ich mich leicht gereizt, wenn ich an Lisa und Andrea denke; die eine mit ihrer viel zu ausgeprägten Eitelkeit, deren faltige Brüste einem Blinden ins Auge stechen würden (das hindert sie nicht daran auch noch mit Mitte vierzig großzügige Ausschnitte spazieren zu tragen) und die andere, aus deren Mund ständig die neuesten Gerüchte heraussprudeln. Aber für alle Fälle habe ich ja zwei Flaschen Prosecco eingepackt. Die beiden sitzen bereits in den reservierten Sitzen, als ich meinen Hartschalenkoffer ächzend durch den schmalen Gang der zweiten Klasse ziehe und zu meiner Überraschung ist schon eine erste Flasche geköpft. "Sagt bloß, ihr habt auch Sekt dabei? Das fängt ja gut an." schmunzele ich, während ich mich hörbar auf die zugeigene Sitzbank fallen lasse. Andrea reicht mir ohne auf meine Frage einzugehen einen gefüllten Becher, aus welchem es fröhlich heraussprudelt und fährt in ihren Ausführungen fort, in die ich scheinbar geplatzt war. "Jedenfalls sind diese Brüste generalüberholt, das sieht doch jeder. Erbärmlich, wenn ihr mich fragt, aber dieses Flittchen kann mit dem Kopf eben nicht punkten, da muss schon ein prall gefülltes Dekolleté her..." Lisa äußert sich hinsichtlich ihrer eigenen Misere im BH lieber nicht und trinkt peinlich berührt noch einen großen Schluck Prosecco, während meine Gedanken bereits in eine etwas andere Richtung abschweifen. In letzter Zeit passiert es häufiger, dass ich unvermittelt in Tagträume abdrifte, die einen eindeutig sexuellen Inhalt besitzen. In diesen Träumen geht es meistens um stahlharte Männerbrüste, die sich auf meine drücken, um heißen Atem an meinem Ohr und letztlich natürlich um große erigierte Penisse, große, rasierte stahlharte Schwänze (oh mein Gott) die mich beglücken. Eigentlich ist das gar nicht meine Art. Wenn ich Sex habe, dann eher auf die sanfte Art (oder ist das einfach nur alles was mein Mann kann?), aber in Träumen ist ja bekanntermaßen alles erlaubt. Und angeregt durch die Wirkung des Alkohols hätte sich auch dieser Traum wieder zu einem willkommenen Erlebnis gesteigert, würden die beiden Hühner mir gegenüber mich nicht durch ihr hemmungsloses Geschnatter in die Realität zurückholen. Manchmal wünschte ich mir ernsthaft große Pflaster für ihre Münder, oder zusammengerollte Socken, doch nicht einmal diesen Traum kann ich zuende sinnieren, denn just rollt der Zug quietschend in den Bad Salzuflener Bahnhof ein.

Zusammen mit etlichen anderen offenbar entspannungswütigen Frauen quetschen wir uns auf das Gleis. Wie so häufig muss ich feststellen, dass ich wohl die einzige mit Verantwortungsbewusstsein unter uns dreien bin, denn während ich auf dem Stadtplan Ausschau nach dem Entspannungstempel halte, albern die anderen ausgelassen auf dem Bahnhofsvorplatz herum. Während ich in der Mittagssonne - schon ordentlich angeschwipst von vier Flaschen Prosecco während der Fahrt - versuche, klare Gedanken zu fassen und den Weg zur Stätte leiblichen Wohlergehens suche und ihn dann auch recht bald finde, haben Lisa und Andrea nur Blödsinn im Kopf. Wild gestikulierend und im Niveau dem Alkoholpegel angepasst, ahnt man kaum noch das sie sonst mit Vorliebe die Anzeigenblätter der lokalen Einkaufsmöglichkeiten nach Schnäppchen durchstöbern und sich sofort in Bewegung setzen, wenn sie ein schönes Steak zum günstigen Preis für ihre hart arbeitenden Männer entdecken.
Plötzlich geht alles ganz schnell. Später sollte dieser Moment noch oft vor meinem geistigen Auge in Zeitlupe ablaufen, aber in diesem Augenblick bin ich so perplex, dass ich noch nicht mal einen Ruf der Warnung ausstoßen kann. Lisa, die sich gerade gestenreich über eine andere Frau mokiert und dabei deren Gang sehr übertrieben nachmacht, passt einen Moment nicht auf wohin sie ihre Füße tragen und sie steht auf der Straße. Ich denke noch ‚Achtung Auto !!!', aber dieser Gedanke wird mit einem dumpfen Schlag und mit dem Bild der ca. zwei Meter durch die Luft fliegenden Lisa abrupt beendet.
Oh Gott ! Oh mein Gott !!! Wie besinnungslos stürze ich in Richtung Lisa und zu ihr auf den Boden. Andrea tut es mir gleich und statt irgendwie hilfreich zu sein, stoßen wir über der armen Lisa zusammen. "Lisa, Lisa, was ist, sag was, ist Dir was passiert?" stoße ich panisch hervor. Lisa hebt mit schmerzverzerrtem Gesicht einen Daumen als Geste, dass es nicht so schlimm sei.
Im örtlichen Krankenhaus, vom plötzlichen Schock wieder knallnüchtern, geht es mir sehr schlecht. Ich mache mir Vorwürfe, da ich es ja schließlich war, die meinen beiden Freundinnen Schlechtes gewünscht hatte, sie sogar zum schweigen bringen wollte. Andrea habe ich für den Moment tatsächlich zum Schweigen gebracht. Es ist ein merkwürdiges, halb vorwurfsvolles (als wenn ich was dafür könnte), halb schicksalsergebenes Schweigen. Es hilft mir jedenfalls nicht weiter.

Der Doktor kommt aus dem Untersuchungszimmer der Notaufnahme und berichtet das Lisa großes Glück gehabt habe, dass außer einem gebrochenen Bein und zwei angeknacksten Rippen nur Prellungen zu beklagen seien. Lisa wird auf ein Zimmer gebracht und versucht uns irgendwie zu trösten (wie absurd, eigentlich müsste es doch anders herum sein) und nach einiger Zeit stehen wir wieder vor dem Krankenhaus und wissen nicht so richtig wohin mit uns.
Wieder nach Hause fahren ? Naja, wäre wohl angesichts der Lage das Beste, aber dann ist Lisa ja ganz alleine im Krankenhaus und so beschließen wir am späten Nachmittag doch noch in die Beautyfarm zu fahren, da Lisa mit unserer Abreise ja nun so gar nicht gedient wäre. Wir nehmen noch den Vorsatz auf den Weg gleich am nächsten Morgen wieder ins Krankenhaus zu fahren und den Unglücksvogel zu besuchen. Auch ohne ausdrückliche Verabredung erzählen wir unseren Männern erst mal nichts.

Savage Alex & Frau Antje