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07.06.2007

Feiertag im katholisch-nächstenliebenden Rheinland, Zeit für besinnliche Sinnlosigkeiten...

Unlängst war ich in meiner zwangsweisen früheren Wahlheimat Bonn auf einen beschaulichen Abend, fernab des Großstadtlärms der mich in letzter Zeit nur noch krank und schlaflos in meinem aufgeräumten Kleinstadtghetto zurück lässt. Ich musste durch den Bonner Hauptbahnhof gehen, den ich das erste Mal nachts vor 15 Jahren als Teenager durchschritt und der eine widerliche gefährliche Anziehungskraft hatte, die Anziehungskraft all der Kaputten und Bedeutungslosen die dort hausten, die sinnlos krakelten und sich gegenseitig im Schlaf die Schuhe stahlen. Ein kurzes Aufflackern meines früheren Ich, oder besser meiner verklärten Erinnerung daran, reißt mich gegenüber meiner charmanten Begleitung zu der Bemerkung hin, dass es sich hier um das berühmt-berüchtigte Bonner Loch handele. Aber oh weh, wo sind sie denn alle hin ? Die Junkies und die Obdachlosen und viel wichtiger, der markante Geruch von Fäulnis, dreckiger Kleidung, Dosenbier und Schmierseife. Da stehe ich schön da als aufgeblähter wilder Gockel der in Erinnerungen schwelgt die sich durch nichts beweisen lassen. Meine charmante Begleitung ist nicht nur charmant sondern auch milde und deshalb ist es kein Desaster. Aber ich beschließe mich an diesem sauberen Loch, an diesem gleichgeschalteten Bahnhofsloch zu rächen. Mich an ihm zu vergehen.

Einige Tage später bin ich wieder da. Ich habe einen einfachen Plan. Ich bin unrasiert, trage dreckige Kleidung. Billigen Wein und einen Schlafsack habe ich auch dabei. Als ich mich in einer Ecke gegenüber des Gleis 11 niederlasse, nicht ohne aus dem Augenwinkel darauf zu achten das die Überwachungskamera freie Sicht auf mich hat, fühlt sich diese ganze Aktion etwas merkwürdig an, aber nun bin ich einmal hier, jetzt ziehe ich das durch. Ich mache es mir gemütlich. Die zwei Bier die schon in meinem Bauch zueinander gefunden haben, geben mir die Selbstsicherheit mich nicht von jungen aufgekratzten Prekariatsspießern irritieren zu lassen. (Tja, da glotzte wa. Wer is hier eigentlich der Penner ?)

Lange brauche ich nicht zu warten. Gelangweilt und kein bißchen aufgeregt kommen zwei Oberlippenbärte in BGS-Uniform auf mich zu.
Warum hält sich eigenlich eine gewisse gleichgültige Erscheinungsform des Äußeren so hartnäckig bei so vielen Berufsgruppen ? Meine Lieblinge in der Hinsicht sind aber nicht die Grünröcke sondern ganz eindeutig die etwas dicklichen jungen Frauen am Schalter eines großstädtischen Bürgeramtes, die sich täglich aus ihrem Vorstadt-Reihenhäuschen in die vollgestopfte Großstadt mit Hilfe ihres Opel Corsa quälen. Nur um dann Leute wie mich genussvoll und mit sauber manikürten Fingernägeln an ihrer Pein teilhaben zu lassen.

Die Oberlippenbärte wissen nicht so richtig was sie mit mir anfangen sollen. Offensichtlich ist es selbst ihnen nicht entgangen, dass hier vor ihnen nur eine Karikatur derer liegt, gegen die sie sich scheinbar erfolgreich und endgültig durchgesetzt haben. Es entspinnt sich ein sinnloser Dialog, die Oberlippenbärte bestehen darauf das ich hier nicht rumliegen dürfe und ich, befeuert vom billigen Wein und den zwei Bieren, halte ihnen entgegen das ich ja wohl nicht gegen ein Gesetz verstoßen würde. Oder habe ich da was nicht mitbekommen Herr Wachtmeister ? Habe ich etwa verpasst das unsere Kanzlerin in stetem Bemühen um eine gerechtere Welt (mit 12 km Zaun versteht sich) ganz sachlich nüchtern ein Gesetz verkündet hat, welches das Rumliegen in Hauptbahnhöfen unter Strafe stellt ? Meine penetrante alkoholgeschwängerte Eloquenz und die Worte "Herr Wachtmeister" (wie gerne hätte ich Blockwart gesagt) machen die Oberlippenbärte allmählich gelangweilt interessiert und böse. Noch zwei Stunden bis zum Ende einer ereignislosen Schicht, die nur durch ein paar gedankenlose Bahnhofsverschmutzer ihre Berechtigung hatte und nun so ein Popanz im Schlafsack. Jetzt gönnen sie mir endlich die Worte auf die ich es die ganze Zeit angelegt hatte, sie bringen das Hausrecht der Deutschen Bahn AG ins Spiel. Tatsächlich die einzige rechtliche Grundlage die es mir verleiden könnte schlafbesackt innerhalb des Bahnhofsgebäudes dem Delirium zu frönen.
Es kommt plötzlich Bewegung in den Schlafsack. Ich erhebe mich und gratuliere den beiden, dass sie es offensichtlich ganz weit gebracht haben in ihrer beruflichen Karriere als Handlanger der Deutschen Bahn AG, die sich selbst nicht die Blöße gibt gegen Unrat wie mich vorzugehen.
Man will ja ein menschliches Antlitz haben. Positive Emotionen bei den Konsumenten-Amöben besetzen. Die Drecksarbeit oder besser die Arbeit am und mit dem Dreck überlassen sie denen die ohnehin maximal respektiert aber nie geliebt werden.

So stehen sie da, ungeliebt und verhöhnt, aber auch nicht interessiert genug um sich weiter um mich zu kümmern. Ich breche die Aktion ab, denn eigentlich war ich ja gar nicht scharf darauf hier wirklich zu nächtigen.
Tschüß Du saubere Stadt am Rhein, bewohnt von lauter lustigen und toleranten Menschen. Ich hoffe das ich nie wieder gezwungen sein werde mich von Dir verschlingen zu lassen.

Savage Alex.

Dir fallen unentwegt ähnliche Dinge im Alltag auf ? Du bist der Meinung Du kannst es besser als die Pfeifen die immer an dieser Stelle rumlabern ? Schreib uns.

 

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