Logbucheintragungen der Crew Onlinezine ... Voice Of Subkulture |
22.05.2006
Tribal-Paranoia
Hach was habe ich gelacht, noch vor wenigen
Jahren, anlässlich eigener Verschönerungsversuche im Tattoo-Studio, als es gerade
so fürchterlich angesagt war, sich mit jenen stummen Zeugen der Ideenlosigkeit,
den Brandmalen der erhofften aber nie erlebten, immerhin aber massenkonformen,
Individualität zu verunstalten. Ich rede von Tribals.
Sicher mag es auch das eine oder andere recht kunstvolle dazwischen geben, aber
so insgesamt konnte ich mich des Eindrucks doch nicht erwehren, dass die Träger
sich die Dinger vor allem um des tätowiert-sein-Willens stechen ließen und weniger
aufgrund eines tiefverwurzelten Wunsches persönlich bedeutende Dinge mit Hilfe
eine Tattoos zum Ausdruck zu bringen.
Inzwischen natürlich legendär das sagenumwobene und die Trägerin für alle Zeiten
als Individualismusbestie brandmarkende Arschgeweih. Auch sehr schön waren so
Tribalringe um den selbstbräunenden Oberarm. Bevorzugt so angebracht, dass bei
gutem Wetter ein kurzärmliges Shirt ausreichend Ausblick auf die Männlichkeitsmarke
freiließ. Auch immer wieder entzückend jene armseligen ersten Versuche, sowohl
von Tätowierer als auch Tätowiertem, wo echt miese Mini-Tribals in der Größe
eines Geldsstücks, max. eines kleinen Geldscheins, die Träger verunstalten.
Immerhin mussten die Patienten in jeder Ausgestaltung dieser Unart wenigstens
ein paar Schmerzen erdulden. Der neueste Tribal-Trend (oder habe ich mal wieder
nur nichts mitbekommen und die ganze Sache ist bereits ein alter Hut) ist jedoch
völlig schmerzfrei, in seiner Erscheinungsform aber nicht minder quälend bösartig
und x-beliebig. Marco, 18, Kfz-Mechaniker-Azubi aus Sachsen-Anhalt, hat damit
seinen tiefer gelegten Polo verschönert und Rainer, 33, Bodybuilder aus NRW
trägt es auf der steroid-geschwellten T-Shirt-Brust: ein Tribal.
Die Dinger sehen genau so, meist grottenschlecht und simpel, aus wie ihre tätowierten
Urahnen, haben aber den enormen Vorteil, dass sie sich bei Nichtmehrgefallen
deutlich einfacher entfernen lassen. Wie kommt man denn auf die Idee ein T-Shirt
mit nichtssagenden spitzzackig ineinander verwobenen Symbolen zu tragen ? Und
warum klebt man sich so etwas auf die Rückscheibe oder den Kotflügel seines
Autos ? Ein peinliches Tattoo, hat man seine Einfalt erst mal eingesehen, kann
man ja mittels Kleidung ganz gut verstecken. Aber was zur Hölle wollen mir Marco
und Rainer mit dieser öffentlichen Zurschaustellung sagen ? Auf welcher Insel
habt ihr denn die letzten Jahre gelebt ?
Aber vielleicht hat es ja auch einfach was mit extrem schlechtem Geschmack zu
tun. Eine Botschaft will ich Marco und Rainer mal nicht unterstellen. Das wäre
wahrscheinlich auch ein wenig viel verlangt, besteht doch dafür das eigentliche
Grundproblem unverändert fort: eine eigene Meinung ist ein Luxus, den sich offensichtlich
längst nicht jeder leisten kann.
Naserümpfend. Savage Alex.