Pop und poppen gegen rechts

Joe Travolta unterhält sich mit Malte über Pop, Ska, Bandwettbewerbe und sexuelle Rassismusprävention.. auch und vor allem rund um die Bremer Combo "Schwarz Auf Weiss"

Onlinezine: Fangen wir klassisch an: Wer seid ihr und seit wann gibt es euch?
Malte: Wer wir sind? Acht Jungs vonne Waterkant die Segel gesetzt haben um den Sound der 60er klar Schiff zu machen für das neue Jahrtausend. Obwohl, wenn ich an unsere Gründung so 96 oder 97 denke, dann fällt mir ein, dass viele der ehemaligen Bandmitglieder auch aus dem tiefsten Süden kommen.

Schwarz Auf Weiss ganz offiziell

Onlinezine: Schwarz auf Weiß hat einen für die Skaszene eher ungewöhnlichen Stil mit recht poppigen Melodien und leichten deutschen Texten. Wo kommt dieser Stil her?
Malte: Definitiv ist er halt ein Ergebnis unserer Vorliebe für Musik, bei der es an allen Ecken und Enden zur Sache geht. Wir lieben halt bombastische tanzbare Sounds mit massig Instrumenten. SKA würde ich dabei mal als die Mutter der ganzen Idee betrachten, einen größeren Einfluss besitzen inzwischen aber vielleicht eher Northern Soul, 60er Jahre Soundtracks und Mod Sachen. Mich stört es auch nicht wenn im Zusammenhang mit unserer Musik immer häufiger der Begriff Pop oder "poppiger sonstwas" fällt, es kommt eben darauf an wie man den Begriff definiert. Wenn ich mich in Deutschland umschaue dann ist Pop, insbesondere der deutschsprachige, in 99,9 Prozent der Fälle einfach nur absoluter Scheiß. Ganz anders ist es aber wenn du einen Blick nach England wirfst und deren musikalische Tradition betrachtest. Angefangen beim Beat und Mod Sound über Northern Soul bis hin zu Madness oder heutigen Bands wie Divine Comedy oder Mo Solid Gold, gab es immer populäre Musik für die man sich echt nicht zu schämen brauchte, die außerdem tanzbar war und im besten Fall sogar noch eine Message transportieren konnte.
Ich verstehe halt nicht wieso das in Deutschland nicht funktioniert und dass wollen wir eben ändern. Wenn das ganze dann nur auf einer klitzekleinen Independent Ebene abläuft - kein Problem, ich spiele liebend gern in Jugendzentren, AJZ´s oder anderen netten kleinen Läden. Um auf die Sache mit den Texten zu kommen, da stimme ich dir zu. Es sind leichte deutsche Texte auf "Supersprint" CD zu hören, was sich beim nächsten Album aber mit einem gewaltigen Knall ändern wird. Wir alle haben ja in Punk Bands etc. angefangen und waren oder sind ja auch sonst in Sachen Fanzines etc. aktiv. In der ersten Zeit mit Schwarz auf Weiß stand halt dieses reine Spaß Ding im Vordergrund und entsprechende Wertvorstellungen brachten wir leider nicht mit auf die Bühne. In letzter Zeit geht uns aber wieder so viel auf den Sack, daß wir sozusagen zu unseren textlichen Wurzeln aus der Zeit vor Schwarz auf Weiß gefunden haben, das wird man auf der neuen Platte schon hören.

Onlinezine: Haben die Butlers einen großen Einfluss auf euch gehabt?
Malte: Von der musikalischen Seite auf jeden Fall durch ihre Vorliebe für Soul und die eher untypische Herangehensweise an Ska. Besonders unser Orgelspieler sieht in den Butlers schon große Vorbilder, das merkt man auch seinem Spiel an. Ansonsten würde ich halt eher sagen, dass die Butlers für uns wichtig waren und sind, weil sie halt einiges für uns ermöglicht haben, was sonst wohl nicht so für uns gelaufen wäre.

SAW auf der Summer Safari

Onlinezine: Wie hoch ist der Einfluß der Musik, die ihr bei Practical Joke gespielt habt?
Malte: Der musikalische Einfluss ist wahrscheinlich nicht sehr hoch aber viele andere Dinge sind erst durch die Erfahrungen mit Practical Joke möglich geworden. Wir hätten ohne die Verbindungen durch die Zeit mit P.J. wahrscheinlich nie mit Schwarz auf Weiß z.B. die Chance bekommen gleich mit recht fetten Konzerten beginnen zu können. Wie unser aller erstes Konzert, wo der Veranstalter einfach wegen P.J. darauf vertraut hat, dass Schwarz auf Weiß sooo schlecht schon nicht sein wird und uns dann ins Vorprogramm von Mr. Review gesteckt hat. Ansonsten haben wir mit P.J. halt schon sehr viele wichtige Erfahrungen gemacht, wie z.B. im Umgang mit Plattenfirmen und dem ganzen Vertragsmist wegen dem die Band dann ja leider auch den Bach runter ging. Zudem waren all die Konzerte in besetzten Häusern etc. sehr sehr wichtig, denn so haben wir Leute kennengelernt die wirklich was auf die Beine stellen was einen nachhaltig beeindruckt und beeinflußt hat. Wie ich eben angesprochen habe, wird man in Zukunft besonders textlich bei Schwarz auf Weiß merken, dass ehemalige P.J. Leute dabei sind. Inzwischen finde ich auch, dass die Schwarz auf Weiß Konzerte wieder etwas von dieser Energie und dem Druck bekommen haben wie es bei einigen P.J. Auftritten war.

Onlinezine: Auch eher ungewöhnlich für eine Ska Band: Ihr seid beim Bremer Weserlabel, das ja eher für Punk bekannt ist. Ist dieser Deal ein Relikt eurer punkigeren Zeiten?
Malte: Davon abgesehen, dass ich das Gefühl habe unsere punkigeren Tage würden jetzt erst anbrechen, ist der Deal aber eher ein Relikt unser Schusseligkeit. Wir haben wegen den schlechten Erfahrungen mit P.J. auf jedes Angebot eigentlich mit Ablehnung reagiert und wollten selbst eine EP rausbringen. Während wir noch im Studio waren, stand schon der Termin für das Release Konzert und irgendwie lief uns die Zeit davon. Wir haben uns dann an Fabsi gewand, ob er uns irgendwie unterstützen könnte. Fabsi fand aber die Idee einer EP nicht so gut, also haben wir sämtliches Material von Demotapes etc. zusammengekratzt und eine ganze Scheibe veröffentlicht die dann gleich auf Weserlabel erschienen ist, worüber wir im nachhinein auf jeden Fall glücklich sind.

Onlinezine: Wie läuft die Zusammenarbeit mit Fabsi?
Malte: Was besonders gut ist, ist die räumliche Nähe. Wenn irgendwelche Sachen anstehen fährt eben einer von uns vorbei und klärt das mit Fabsi. Unglaublich sind halt auch seine Verbindungen, denn er ist eben eine echte Ikone des deutschen Punk. Zudem verstehen wir uns auch ganz gut. Ab und an setzt er uns auch mal auf den Pott wenn wir wieder mal was nicht gebacken bekommen, auch wenn das dann nervt hab ich schon das Gefühl als bräuchten wir wohl hin und wieder nen Arschtritt um unsere Hintern in Bewegung zu setzen.

Onlinezine: Um noch einmal auf euren Stil zurückzukommen: Ihr habt bei einem Bandcontest 1998 ziemlich abgeräumt und es so ins Fernsehen geschafft. Habt ihr die Jury überzeugt, oder einfach genug Fans dabei gehabt?
Malte: Überzeugt haben wie die Jury ja nur im Vorfeld. Obwohl bei der Show dann echt Hunderte von Kumpels etc. angetanzt sind und in der riesen Halle einen unglaublichen Wirbel veranstaltet haben, hat uns die Jury dann ja verkacken lassen. Schade ist, dass man im Fernsehen nicht sehen konnte, wie dann allerlei Kurzhaarige und Punks versucht haben die Jury mehr oder weniger zu lynchen als verlesen wurde, dass wir auf dem fünften Platz landeten. Davon abgesehen, ist das aber auch vorbei und vergessen. Die meisten der Bands die dort auftraten existieren schon lang nicht mehr und die damaligen Gewinner Soulmate sind nicht nur wirklich ne gute Band mit viel Potential sondern haben auch ne Scheibe bei der Weserlabeltochter Superrock Records veröffentlicht.

das rockt!

Onlinezine: Euer recht poppiger Stil scheint auch außerhalb der Skaszene gefragt zu sein: Ihr habt Konzerte vor NENA oder Tocotronic gegeben. Ist das eher Absicht oder Nebenprodukt eurer Bemühungen?
Malte: Wir alle sind eh nicht so die Verfechter von der Idee, dass Ska jetzt immer ein reines Szeneding sein müßte. Die Trojan Sachen oder auch Two Tone waren ja schließlich auch für eine große Masse bestimmt und gehören trotzdem zum besten was auf Instrumenten je gespielt wurde. Wie ich ja schon sagte, ist unser Anliegen halt irgendwie aussagekräftige, deutschsprachige und natürlich tanzbare Musik zu verbreiten so gut es geht, wohin das führt darüber machen wir uns nicht viele Gedanken. Definitiv ist Musik für uns halt mehr als ein Hobby, der Illusion geben wir uns aber nicht hin davon mal leben zu können oder so. Für solche Träume sind die deutschen Charts einfach zu voll mit unglaublichem Dreck. Wir können uns aber diebisch freuen, wenn wenigstens auf den nem Sender wie Viva 2 mal Superpunk oder Berend laufen, die beide meiner Meinung nach den richtigen Weg gehen - nicht nur musikalisch.

Onlinezine: Eine Sache an Eure Texten habe ich noch nicht verstanden: Was ist so sexy an Frauen, die auf Hollandrädern fahren?
Malte: Das werden wir zwar zum Großteil auf unserem nächsten Album klären, aber es hat ne Menge mit der "Ergonomie" zu tun. Nur auf Hollandrädern bekommt jede Frau diese unglaublichen Gazellenbeine. Traut auch ruhig mal nen ganz ganz vorsichtigen Blick zu riskieren und ihr werdet sofort sehen was ich meine. Besonders nett wird es bei den Rädern die dann noch so in "Tigerentenfarben" gestrichen sind - ansonsten "ein ganz gewöhnlicher Fetisch" eben. Ein Fetisch läßt sich ja immer nur schwer erklären, sonst erklär mir mal was manche Typen daran finden sich in Babywindeln zu winden, oder was es da noch so an Krams gibt (schickt eure Tipps)!

Onlinezine: Was sagt Deine Freundin dazu?
Malte: Die ist natürlich auch Hollandrad gefahren!!!!!

Onlinezine: Und die klassische letzte Frage: Was soll die Zukunft bringen?
Malte: Wie wohl jede Band würden auch wir gerne mehr live spielen. Zudem finden wir es schade, dass wir zwar Reaktionen aus dem Ausland bekommen, aber die Veranstalter und teilweise nicht wollen weil wir eben auf Deutsch singen. In dieser Richtung müßte sich echt was ändern. Wenn ich an eine Gruppe wie Skaferlatine denke, die fand ich auch immer super, obwohl ich sie nicht verstehe. Man muß sich halt informieren wofür eine Band einsteht, deren Sprache man nicht kann, wenn das aber alles OK ist, was steht der Party dann noch im Weg? Guck dir doch mal die ganzen geilen linken Bands aus dem Baskenland an. Was aber die Zukunft angeht, da ist erstmal ein neues Album geplant. Wann, wie und bei wem ist zwar noch nicht ganz sicher, aber Fabsi unterstützt uns schon jetzt wieder nach Kräften und das ist auch sehr gut so. Übrigens wird es auf dem Album ein Wiedersehen mit einigen alten Bekannten geben - so viel sei verraten.
Zum Abschluss merkt auch noch eins: Mädchen und Jungs gegen Nazis - so gibt es schon bald keinen Fascho Nachwuchs mehr.

Joe Travolta