This Is Ska! Rosslau, 23.6.2001

Ein in der Vergangenheit nur wenig beachtetes Festival tritt gegen die großen Events an und ist auf bestem Wege in die Bundesliga

Zu diesem Artikel gibt es eine kleine Bildergalerie: siehe "Galerie"

Die deutsche Festivallandschaft ist nach dem Ausfall des Potsdamer Skafestes um ein Highlight ärmer. Man sollte denken, dass dieser Verlust nicht auszugleichen ist. Das ist allerdings nicht ganz richtig. Neben dem Riverbank Festival in Mainz ist das Rosslauer Skafestival inzwischen so erwachsen geworden, dass es durchaus die Attraktivität eines Potsdamer Skafestes erreichen kann. Fast. Denn Potsdam lebte von Skafans, die aus ganz Deutschland und einigen Nachbarländern anreisten, um eine monströse Party zu feiern. Das gelingt dem Rosslauer Skafest noch nicht ganz, es fehlt eine entscheidende Zutat: der zweite Tag. Nur der überzeugt auch den letzten, dass es sich für diese Party lohnt, hin und zurück über tausend Kilometer zurückzulegen.

So lebte Rosslau von weit über tausend Skafans, die vorrangig aus Neufünfland, Niedersachsen und Tschechien angereist waren. Einige wenige Enthusiasten mit westfälischen, badischen oder bayerischen Kennzeichen bewiesen allerdings die Qualität des Line Ups mit den Headlinern Skatalites, Hotknives und Ventilators.Das Wetter spielte den Organisatoren vom Beat Club Dessau einmal wieder mit: nach kurzem Antäuschen von Regen am Vormittag blieb es dann doch noch trocken. Nicht zu warm und nicht zu kalt.

Dass es dann doch noch heiß wurde, lag wohl eher an der guten Support Arbeit der ersten drei Bands. Pandeon Rococo aus Mexiko traten mit Exotenbonus an, um zu zeigen, daß die Welt zwar groß, guter Ska aber immer wieder aus den selben Zutaten gebacken wird. Schön an den Südamerikanern war allerdings, dass sie mit einigen Rhythmen ihre Herkunft in die bekannte Mischung einbrachten: ihr Offbeat wurde durch ein paar latinoähnliche Beats aufgelockert, was die ersten Leute zum Hüftschwung verführte. Skaminister aus Hamburg schafften es leider nicht ganz, mit ihrem Partyska mit Punkeinschlägen, an Pandeon Rococo anzuknüpfen. Schon eher interessant waren die Amphetameanies aus Schottland, die mit großer und bunter Besetzung aus bunt- und kurzhaarigem Volk einen gepflegten two-tone lastigen Sound hinlegten. Dieser konnte sogar einige Skatalites Mitglieder zum Fußwippen überzeugen, die frisch eingetroffen hinter der Bühne dem Spektakel beiwohnten.

Mit der Dämmerung kamen die Schweizer Ventilators über das inzwischen warm gewordene Volk. Die Eidgenossen sind ihrem poplastigem Sound über die Jahre treu geblieben. Leider kennt das deutsche Publikum nur wenige ihrer Releases. Das führte dazu, das man zwar das gute Songwriting genoss, nur leider nicht ganz so gut mitgehen konnte, wie diese Band es eigentlich verdient hätte. Trotz alledem legten sie einen soliden Grundstein für das, was folgen sollte: die Band der Bands: The Skatalites.

The Skatalites in Rosslau

Hier setzte dann auch die politische Diskussion des Abends ein: wie kann man diese Band vor den Hotknives spielen lassen? Die Antwort finde ich ganz einfach: beide Bands sind bis auf den Offbeat nicht zu vergleichen, sie spielen beide Spitze, aber einfach in einer anderen Liga. Richtig geniessen kann man sie nur in dieser Reihenfolge. Bei den Skatalites pure Euphorie, die bei den Hotknives in Party umschlägt.

Dieses Rezept ist auch aufgegangen: die Skatalites wurde als DIE Band gefeiert. Auch ohne viele schon verstorbene Bandmitglieder tragen sie den Spirit dieser Musik weiter. Nur diese Band kann diesen Groove spielen und mit dieser Band wird er aussterben. Es war wieder einmal ein Erlebnis sonder gleichen: die Skatalites ziehen Mann und Maus in Bann, niemand kann sich der Intensität der „Originators Of Ska" entziehen. Das Gefühl, diese Band live spielen zu hören, kann man nicht beschreiben, nur erleben. So wie ein Orgasmus, nur besser. Interessant war, das sie ihre Solopolitik leicht geändert haben: statt der obligatorischen jazzigen Soli kam die eine oder andere bekannte Melodie aus anderen Hits mitten im Song: sehr geil.

Abrunden durften das Set die Hotknives, die dem durch die Skatalites völlig euphorisierten Publikum den Rest gaben: Pop Hits at its best. Und es geschah, was geschehen musste, wenn die Hotknives vor großem Publikum spielen: es wurde mitgesungen und die Brightoner durften die Bühne nicht verlassen. Trotzdem man sie getrost als die Götter des eingängigen Skapop betrachten darf, haben sie bewiesen, dass auch sie sich den Roots des Ska verbunden fühlen. Die erste Zugabe wurde mit einem überzeugenden Cover meines Lieblingssongs eingeleitet: „The tide is high" von den Paragons.

Ein nettes DJ Set von Peanut Vendor rundete einen Abend ab, an dem das This is Ska! Festival bewies, dass es zu den großen deutschen Festivals gehört. Hoffen wir, dass es nächstes Jahr an zwei Tagen stattfindet, sonst dürfte es Probleme bekommen, sich selbst zu toppen.

Joe Travolta