Reducers S.F.

Vogel im Interview mit der kalifornischen Sektion der Working Class, Abteilung wortkarge Vielreisende

Aus San Fransisco kommt in Sachen Skinheadkult so Einiges. Was ist dafür eigentlich an der Westküste verantwortlich? Entsprechen amerikanische Hafenstädte dem europäischen Working Class-Image? Oder ist das Leben in San Fransisco so hart? Oder sind die britischen Bootboys alle in die Staaten ausgewandert, als sie ihre Schnürsenkel vorm heimischen Lokalderby ausziehen mussten? Man weiß es nicht. Dafür spricht auf jeden Fall die Fußballbegeisterung der REDUCERS S.F., die beim bloßen Erwähnen des Wortes „Oi!“ immer noch einen Glanz in den Augen bekommen und ihre Japan-Tour praktischerweise gleich in die WM-Zeit gelegt haben. Lassen wir uns also von der Begeisterung der etwas wortkargen Herren für den Kult, Fußball und Lokalpatriotismus bei Länderspielen gefangen nehmen.

Reducers S.F.

Welche Straßen sind eigentlich dreckiger, die in San Fransisco oder die in Berlin?
Glen (Gesang): Definitiv, die in San Fransisco.
Kevin (Gitarre): Ja, von dem, was ich bis jetzt gesehen habe, haben wir die schmutzigeren Ecken.
Scott (Schlagzeug): Nein, ich würde meinen, meine Stadt ist noch viel ekliger. Das Dorf kennt nur leider keiner, wenn ich es jetzt sage.

Trotzdem mögt ihr ja eure Heimatstadt und besingt sie des öfteren. Was ist denn das Besondere an San Fransisco?
Kevin: Für mich ist es einfach meine Geburtsstadt. Ich bin nahe des Strands aufgewachsen. Mit der Küste verbinde ich viele Erinnerungen. Es gibt viele wunderschöne Plätze. Meine ganzen Freunde wohnen dort. Und es gibt viele hübsche Vororte.
Glen: Ja, für viele ist die Stadt zu teuer, sie ziehen ins Umland.
Kevin: Richtig billig ist das Wohnen nicht. Dort bezahlst du den Ruf der Mutterstadt gleich mit.
Glen: Genau, den eine vermüllte Stadt zu sein, ha, ha.

Wir in Deutschland haben oft Probleme uns die Größenverhältnisse der USA vorzustellen. Wie kommt es, dass L.A. und San Fransisco, die ja für US-Verhältnisse noch relativ nah beieinander liegen, solche riesigen Unterschiede in Sachen Musikszene haben?
Mike (Bass): Ich denke, die L.A.-Szene ist mehr von Hollywood beeinflusst.
Kevin: Aus L.A. kommen viele gute Sachen...
Scott: Die haben auch viel mehr Leute in ihrer Stadt.
Glen: L.A. hat mehr diesen Showteil. In S.F. ist das mehr Rock & Roll. Los Angeles hat nun einmal Hollywood, dort ist alles dicker, größer und edler. Dort tragen die Leute alle teure Klamotten, die auch nach etwas aussehen.

Das dürfte klar sein, aber was macht den Unterschied in der Szene aus? In L.A. fahren ja auch nicht alle Punks Cadillac und spielen bei Beverly Hills mit.
Glen: Wenn du in L.A. in einen Punkclub gehst, kann es sein, dass dort Plakate von Kinostars hängen. So etwas kannst du dir in San Fransisco nicht vorstellen. Dort herrscht eine ganz andere Haltung.

Was ist denn nun in San Fransisco los? Die Stadt gilt als Streetpunkhochburg. Dort war auch das erste amerikanische Holidays In The Sun-Festival sehr erfolgreich.
Glen: In San Fransisco läuft es gar nicht so gut. Dort gibt es wohl nur eine Hand voll Läden. Kein Vergleich zu L.A. Wenn du ein Gebäude hast, machst du lieber eine neue Wohnung oder ein Geschäft herein als einen Club. Damit lässt sich hier nicht viel verdienen. Sobald ein Haus leer steht, sinkt sein Wert in San Fransisco. Außerdem ist dein Verhältnis zum Publikum ganz anders. In San Fransisco kannst du hundert Mal spielen und es kommen immer wieder die Gleichen. In L.A. spielst du immer vor anderen Leuten.

Ihr seid mit COCK SPARRER auf Tour gewesen. Einer der ältesten, wenn nicht sogar die älteste Streetpunkband überhaupt. Wie war das? Sie galten immer als eure Vorbilder. Die sind jetzt 27 Jahre im Geschäft. Schauen die auf solche Gruppen wie euch herab und denken, das haben wir alles schon hinter uns, heute handeln wir anders oder sind sie den neuen Gruppen wie euch genauso aufgeschlossen, wie alle immer denken?
Kevin: Sie haben immer noch diese Energie. Sie strahlen immer noch Kraft aus.
Glen: Das ist bei ihnen nicht nur eine bloße Haltung. Sie haben sich oft mit uns hingesetzt. Ein Bier getrunken, geredet. Sie waren sehr freundlich.

Auf eurem Heimatlabel TKO seid ihr die bekannteste Band. Welchen Einfluss hat das Label auf euch und die ganze Szene?
Kevin: Es ist eins der besten Streetpunklabels. Alle möchten auf TKO sein. Sie haben vier Leute im Büro. Soviel hat kein anderes Streetpunklabel in den USA.

Welche Bedeutung hat eigentlich euer Albumtitel „Crappy Clubs And Smelly Pubs“? Müsst ihr ständig in den letzten Löchern auftreten?
Glen: Auf jeden Fall.
Kevin: Die sehen doch alle so aus.
Scott: So etwas mögen wir. Dort spielen wir. Dort trifft man uns.

und... Action!

Das ist also nur ein ironischer Titel. Kein ernster?
Kevin: Ja.

In Deutschland denkt man bei dem Titel zuerst an besetzte Häuser. Meint ihr so etwas?
-Großes Staunen, weil die Herren REDUCERS S.F. den Begriff „occupated buildings“ [weil es 'squat' heißt? Anm. d. Red.] nicht kennen. Nach einer kleinen Geschichtsstunde über Deutschland in den 70ern und 80ern geht es weiter...-
Glen (etwas verunsichert): In Amerika gibt es auch viele kleine Clubs, die manchmal ungepflegt sind.

Wie ist das Verhältnis in San Fransisco von kommerziellen Konzertclubs und eher inoffiziellen Läden?
Glen: Du meinst von Clubs mit oder ohne Lizenz?
Kevin: Ohne Lizenz, kein Club.
Aus dem Hintergrund ruft einer: ´Wenn du eine Party willst, geh gefälligst in den Hinterhof´, heißt die Devise.

Ihr habt ja mit „Ole“ eine Art Fußballchant auf eurem Album. Mit Amerika verbindet man ja nun nicht gerade großartige Fangesänge & Supportkultur. Ist das nur eine bloße britische Formel oder steckt dahinter auch etwas Eignes?
Scott: Nein, wir haben ein Fußballteam in der dritten Liga, welches wir unterstützen. Es ist schon so, das wir mit Fußball einiges zu tun haben. Die San Fransisco Seals sollten auch in die Zweite aufsteigen. Unser Präsident hat viel Geld hineingesteckt, aber am Ende fehlten dem Ligarat die Sicherheiten. So mussten wir in der Dritten bleiben. 40 km von San Fransisco entfernt spielt auch ein Erstligaverein, aber der bringt es nicht. Da haben wir schon noch Lokalpatriotismus.

Eure Fankultur steckt trotzdem in den Kinderschuhen. Deshalb musste ich schon lächeln, als ich das Lied hörte. Wisst ihr, was an den Wochenenden hier los ist, wenn ein Spiel ansteht?
Scott: Wir haben uns, als wir in Deutschland auf Tour waren, Karten für St. Pauli gegen Schalke besorgt, weil wir an dem Tag in Hamburg waren.

Wie war´s?
Glen (etwas knapp): Oh ja, die Stimmung hat mir gefallen.

Okay. Ihr müsst einmal die Stimmung bei Lokalderbys erleben.
Glen: Ja, wir waren den Tag vor dem Länderspiel Deutschland gegen England in Frankfurt, wo es zu den Kämpfen kam. (Lokalderbys, nicht Länderspiele, ihr Experten!)
Kevin: Das war ziemlich ungemütlich dort. Wir zogen durch ein paar Kneipen. Eine große Horde Engländer kam vorbei und fragte uns „Sprechen Sie deutsch?“ Wir meinten nur, wir sind Amerikaner. Und sie: Okay, das ist gut.

Na, da habt ihr Glück gehabt. Seid ihr auch auf Deutsche getroffen?
Kevin: Auf Fußballfans zwar nicht, aber auf Polizisten. Die haben erst einmal unsere Ausweise kontrolliert. Danach meinten sie, dass wir die immer bei uns tragen sollen. Wir würden wie Engländer aussehen. Eure Fußballspiele sind ziemlich seltsam.

Nein, Deutschland gegen England ist ein großes Ausnahmespiel. Zu Randalen kommt es eigentlich eher seltener beim Fußball, aber wenn, dann berichten alle darüber. Kennt ihr so etwas auch bei euch beim Fußball?
Glen: Nein, bei uns sitzen alle friedlich im Stadion. Wir stehen auch nicht alle wie ihr beim Spiel.

Ihr seid ja jetzt praktischerweise gleich während der WM durch Japan getourt. War das zufällig oder wegen des Fußballs?
Glen: Eher Zufall, aber wir haben uns zwei Spiele angesehen. Dort war aber noch weniger los als bei uns 1994.

Seid ihr bei den Spielen der USA gewesen?
Scott: Nein, das konnten wir leider nicht. Aber die Tour in Japan war trotzdem sehr gut. Wir haben viel gesehen.

... Und erlebt?
Glen: Viele konnten schon unsere Texte mitsingen. Da war ich echt überrascht.

Vogel