Punk & Disorderly

3 Tage guter Krach im Casino zu Berlin: 25 Bands gaben sich die Ehre

yeah yeah yeah: The Addicts!

An einem kalten Tag im Dezember rückt das Überfallkommando bierkistenbewehrt und gutgelaunt aus zwei Himmelsrichtungen an: Flucht unmöglich. Schlagartig verwandelt sich Deine Singlewohnung in eine WG-ähnliche Lasterhöhle. In kürzester Zeit ziehen Schwaden lustiger Dämpfe durch die Bude und Dein Single- Altglaskörbchen schwenkt angesichts der Massen von anfliegenden Bierflaschen bereits nach einer Stunde die weiße Fahne. Und das alles nur, weil Du in der Nähe des Casino in Berlin wohnst, wo sich drei Tage lang 25 Punkbands profilieren wollen. Irgendworan erinnert mich das. Ach, damals…

Das Line Up sieht ziemlich wild aus: neben einigen Classics, wie The Addicts, Business, The Exploited oder den ausgefallenen Sham 69, geht das Programm über neuere Heroen, wie Duanne Peter & The Hunns und Discipline, bis zum Gros der deutschen Streetpunkbands á la 4 Promille, Troopers oder ähnlichem.

Dementsprechend unterschiedlich ist auch das Publikum und der Andrang vor der Bühne. Ganz klar ist dieses Festival eher auf das kurz- denn auf das bunthaarige Punkrockpublikum zugeschnitten. Die Qualität auf der Bühne schwankt auch stark, wobei der größte Ausfall sicherlich Deadline waren. Aus dem Klasse Kriminale Stall gehen drei Leute an den Start - im Halbplayback. Peinlich berührt verlasse ich diesen Teil des Grand Prix und widmete mich der Shopping Mall.

letzter Gig von Holly: Mad Sin

Kinder, datt war kein Punk. Ich wusste gar nicht mehr, wie viel man für minderwertige T-Shirts ausgeben kann, weil sie mit dem Logo einer mittelmäßigen oi! Band bedruckt sind. Demnächst im Onlinezine: Hobbykurse. Teil 1: Wir basteln uns ein Band T-Shirt für 4 Euro. Bitte bringt mit: ein Second Hand Shirt, Pappe und eine Schere. Textilfarbe stelle ich.

Erstaunlich freundlich zeigte sich das Casino, offenbar ein Technoclub. Zumindest kombinierte dies Dr. Watson, nachdem er feststellte, dass es mehr verschiedene Energydrinks als Biersorten gab. Die Security war freundlich und nicht prollig, die Preise an der Bar wurden von 3,00 auf 2,50 für ein kleines Pils gesenkt, worüber man sich wohl schon freuen muss.

Gefahrenzone: Corey Parks/ The Hunns

So durchwachsen wie das Line Up ist, darf ich dann bitte auf die Floskel zurückgreifen: "für jeden was dabei". Meine Highlights? Zum einen Duanne Peter & The Hunns. Pervers krachender Punkrock, geht schwer zur Sache. Teilweise erschreckend ist die Bassistin: 1,80m Urgewalt. Ihre beachtliche Oberweite droht, jederzeit aus dem BH zu fallen und mindestens die erste Reihe zu erschlagen. Spielerisch nix zu meckern und nette Feuershow von der Dame, die man dem Vernehmen nach von Nashville Pussy geklaut hat. The Business sind wie immer gut und druckvoll. Mad Sin legen einen genialen Gig hin, Köfte holt die Meute ab und Holly traktiert den Bass, als würde es kein morgen geben. Nun gut: gibt es auch nicht, es war sein letztes Konzert mit Mad Sin. Hellvis durfte auch wieder mit, damit die Temperatur bloß nicht unter 30° sinkt. Genial.

Absolutes Highlight? The Addicts! Wenn es eine Band gibt, an der bei diesem Festival alles stimmt, so sind es diese Heroen: top Bühnenshow, coole Kostüme, glasklarer und druckvoller Sound, melodiöser Gesang und die geniale Attitude der Herren, die nichts verlernt haben. Im Gegensatz zu mancher Prollkombo sind sie sich nicht zu fein, durch das Publikum zu marschieren und kleine Geschenke zu verteilen. The Addicts legen direkt los mit "Viva La Revolution", gehen über zig geniale Songs und kommen wieder zum Ausgangssong zurück. Vor der Bühne ist es brechend voll, alle konzentrieren sich auf die Band und gehen ab wie kleine Kinder auf der Spielwiese und ich finde mich nach Jahren wieder mitten im Pogo. Da war es wieder, das gute alte Punkrock Gefühl: alles ist möglich.

out
in
Aussentemperaturen, bei denen
das Bier in der Hand gefriert
The Hunns gucken, ohne der
Bassistin auf die ... zu starren
Heavy Metal á la Exploited
Haarspraytolle von Tex (Mad Sin)
30 min an der Garderobe anstehen
Bierschiss im Westalliiertenmuseum
Halbplayback
The Addicts
nur das letzte Lied von
Charge 69 sehen
Bude bei Festivals voller
Leute haben

Joe Travolta (Text) & Roughrider (Fotos)