Oi! Warning

 

Das Review einmal anders: über diesen Film kann man sich strei-ten. Deswegen hatte Sandra die gute Idee, hier zwei Reviews auftauchen zulassen: oben könnt ihr meine (Joe's) Meinung le-sen, hier geht es zu Sandras Reviews. Viel Spaß damit!

Joe sagt:

Oi! Warning ist ein guter Film. So: das sei erstmal gesagt. Warum stelle ich das an den Anfang? Weil ich im folgenden den Film an einigen Stellen zer-pflücken werde. Nicht, weil er nicht gut ist, das habe ich ja bereits gesagt, sondern vielmehr weil es verschiedene Erwartungshaltungen an den Film gibt.

Janosch, Koma und die neue Frisur

Wäre ich einfach ins Kino gegangen, um eine coole Story erzählt zu bekomme, oder gute schwarz-weiß Fotografie zu sehen, wäre ich garantiert glücklich aus dem Film gegangen. Bin ich aber nicht. Weil ich erwartet habe, einen guten Kinofilm zu sehen, der sich (ne-ben einer Story) mit dem Dasein eines Skins auseinandersetzt, in dem ich mich vielleicht auch wiederfinden kann. Das ging leider nicht, da ich nur mit ka-putten Figuren konfrontiert werde: da wäre zum einen Koma. Nicht der hellste, ist er aus Süddeutschland abgehauen, um sich im Ruhrpott, namentlich in Dort-mund niederzulassen, wo er mit seiner in jeder Hinsicht blonden Freundin lebt. Koma löst seine innerlichen Konflikte , indem er Gewalt provoziert und auslebt. In unterschiedlichen Schattierungen beschäftigt er sich mit einem Boxsack, sei-ner Frau, die etwas durch das traute Heim geschleudert wird, einem Punk, der seine Frau angemacht (angeguckt) hat und dafür ins Krankenhaus darf und dem Bauwagenpunker Zottel , dem er durch einen Tritt das Genick bricht. Dann wäre da noch Janosch, der von zu Hause abhaut und seine Orientierung sucht, indem sich zum Skin umgestaltet und sich sexuell mit Männlein und Weiblein vergnügt, ohne das anderen gegenüber eingestehen zu wollen. Das ist eine Sammlung von Freaks, die eine gute Story zuläßt, aber auf keinen Fall das Bild des Skinhead verbessert: ist er nicht rechts, dann ist er entweder orientierungslos oder ein Schläger bis Mörder. Danke.

Janosch, Blanca und die Idylle Dortmunds

Aber kommen wir wieder zum Film zurück: Die Ma-cher (Dominik und Ben Reding) haben auf einer ziemlich krassen Story einen guten s/w Film hingelegt. Er ist immer atmos-phärisch dicht und recht packend. Allerdings verweilt die Kamera manchmal einen Hauch zu lang auf Einzelbildern mit viel nackter Haut (vorrangig männlicher Haut). Ihr Stil verleitet des öfteren zum Schmunzeln, da immer wieder mit Ein-blendungen gespielt wird, die ent-weder die Bedeutung einer Szene untermauern, oder sie einfach in neuem Licht erscheinen läßt. Musi-kalisch ist der Film gut unterlegt (Terror-gruppe, Smegma, Derrick Morgan, Smegma, Bad Manners, Loikämie, Smegma, Demond Dekker und -äh ich glaube es war- Smegma). Die Schauspieler sind durch-wachsen. Die Rolle der dummen Blondine gelingt Sandra Borgamnn sehr gut. Koma wird durch Simon Goerts überzeugend als Psychopath gespielt. Richtig zu ge-fallen weiß Jens Veith als Zottel, wahrscheinlich nicht nur, weil er die nötige Glaubwürdigkeit besitzt (er ist Punk), sondern auch, weil er ein verdammter Charmebolzen ist. Weniger gut kommen Janosch (Sascha Backhaus, auch aus der Hamburger Bauwagen-szene) und Blanca (Britta Dirks) weg: beide wirken in ihren Rollen etwas un-glaubwürdig: Britt Dirks nimmt man mit ihren 29 Lenzen nicht mehr die etwas simpel strukturierte Gymnasiastin ab, so wie Janosch etwas zu verpeilt gespielt wird.

Dann fällt noch auf, das der eine oder andere Dialog etwas gestelzt daherkommt, was auch nicht gerade für die Glaubwürdigkeit spricht. Die Frage ist, ob das jeder Zuschauer so empfindet. Vielleicht auch nur die, die sich mit der Szene etwas auseinandergesetzt haben. Womit wir wieder da angelangt wären, wo ich angefangen habe: Oi! Warning ist ein guter Film. So lange man nicht erwartet, das Bild des Skinheadkultes gut gezeichnet zu bekommen.

 

Sandra sagt:

Sandra kann backen.

Dies soll keine Gegendarstellung zu Jörgs Bericht werden, sondern nur viel-leicht eine kleine Ergänzung, eine Kri-tik eben aus weiblicher Sicht. Schließlich geht es in dem Film um Sexualitäten, Schwulitäten, Frauen- und Männerrollen, Gewalt und nochmals Ge-walt. Ich vermeide ganz bewußt das The-ma Skinheads, obwohl die Protagonisten des Filmes sehr wohl welche darstellen sollen. Im Grunde geht es für mich in-haltlich aber weder um den Skinhead-Kult als solchen noch um die Dar-stellung des Way of Life dieser Szene. Denn die Story des Filmes, die ich hier aber nicht chronologisch wiedergeben werde, ist in meinen Augen komplett auf jede andere Szene übertragbar, d.h. die Skinhead- bzw. Bauwagenpunkszene ist nur für den Handlungsablauf ausgeliehen. Die Folge für mich persönlich: ich konnte mich so gut wie in keinem Aspekt des Skinhead-Daseins wiederfinden, andererseits auch kein Wunder bei den Personen. Der eine Hauptdarsteller (Janosch) ist eine feige Sau, der von zu hause abhaut, da er dem Spießbürgertum entfliehen möchte. Er landet bei seinem Skinhead-Macho-Kumpel Koma, dem anderen Hauptdarsteller, und läßt sich so sehr beein-drucken, daß er selbst schnell zum äußerlichen Skinhead mutiert. Janosch fragt sich zwar später, ob er überhaupt ein echter Skin ist und was eine Skin über-haupt ausmacht. Dieser Frage wird aber im Film leider nicht weiter nachgegan-gen. Genauso leicht wird er im folgenden von dem Mädel Blanka um den Finger gewickelt, denn schneller ist er bisher bestimmt noch nicht zum (sexuellen) Ziel gekommen. Er wird sogleich in ihr Leben eingeplant ("...in meiner neuen Wohnung bekommst Du dann unter dem Fenster den Platz für Deine Skinhead-Platten..."), was ihn zwar ankotzt, ihn aber entgegen seiner Empfindungen nicht zur Trennung veranlaßt.

Zottel mit seinem Kumpel "Machtnix"

So schnell, wie er von Koma und Blanka vereinnahmt wird, so schnell fühlt er sich auch wieder unwohl in seiner Haut, so daß er zum Schluß in den Bann des sympathischen, wenn auch stinkenden Zottel, dem Bauwagen-Punk, gerät, der seine eigene Orientierungslosigkeit (auch in sexueller Hinsicht) perfekt macht. Janosch ist folglich so einfach von allen Seiten beeinflußbar, daß er während der gesamten Handlung keine eigene Persönlichkeit entwickelt, was seinem neuen Kumpel Zottel zum Verhängnis wird. So wird er am Ende zu einem brutalen Verräter an Zottel und somit zu seinem Henker, auch wenn der Todesstoß von dem total frustrierten Koma ausgeführt wird. Übrigens kein Film ab 12 Jahren, wie er offiziell freigegeben ist, sondern laut Jörg "schon allein wegen der Fickszene ein Film mindestens ab 16". Koma, der absolute Macho, der nicht verlieren kann und überhaupt keinen Bezug zur Realität entwickelt, ist ein paralysiertes Arschloch, welches lustigerweise aber in einem Boxkampf von Erkan Özgün (oder so ähnlich) k.o. geschlagen wird. Damit komme ich auf einen Punkt zu sprechen, der mir sehr postiv aufgefallen ist. Obwohl die Handlungsträger hauptsächlich Skins sind, ist dies der unpolitischste Film in dieser Richtung, den ich je

kommen im Film nicht zu kurz: Smegma (Micha)

gesehen habe. Kein rechts oder links Gelaber. Sehr angenehm! Aber ich muß noch auf die Rolle der Skinheadfrau Sandra (super Name..) zu sprechen kommen. Gut sieht sie ja aus, aber wenn sie den Mund auftut, kommt entweder nur die Zunge zum Knutschen oder jede Menge Müll ‘raus. Die mit Zwillingen schwangere Sandra verwandelt sich von einer hysterischen, ewig meckernden Skinhead-Braut in eine noch mehr meckernde, spießig gekleidete und frisierte Gegnerin der Skinhead-Bewegung. Warum, werden wir wohl nie erfahren. War die Geburt so ein traumatisches Erlebnis? Die Frau, die zu blöd ist, einen Wäscheständer aufzubauen und akzeptabel zu "Skinhead Love Affair" zu tanzen, war mir nur in einem ein-zigen Moment sympathisch: nämlich als sie laut überlegt, wie sie Koma am besten beibringt, daß sie Zwillinge erwartet. Wie sag ich’s cool genug, ohne mich zu sehr zu vestellen. Das kommt einem schon irgendwie bekannt vor. Schön an dem Film ist die Machweise: komplett in schwarz-weiß gedreht, scheinbar zusammen-hanglose Filmsequenzen, die doch noch in einen Zusammenhang gebracht werden (mit wenigen Ausnahmen), und natürlich die gute Musik, auch wenn die Band Smeg-ma auffällig stark supportet wird (Gruß an Micha!). Insgesamt bleibt der Film wohl Geschmackssache und wird sich wohl kaum zu einem Kultklassiker entwickeln, aber er ist diskussionswürdig, sehr kurzweilig und mit vielen Feinheiten ge-spickt, die Oi! Warning doch wohl eher sehenswert machen. Aber was will uns eigentlich der Filmtitel sagen? Sollen wir vorm OI! gewarnt werden? Oder will uns der OI! warnen? Aber vor was? Vor dem brutalen Skinhead-Dasein, das uns keine zweite Chance gibt? Oder sollen andere Leute durch OI! vor uns gewarnt werden? Die Variante gefällt mir eindeutig am besten!

Sandra

Joe