Oi!Warning im Gespräch

Dieser Spielfilm wid inzwischen ziemlich heiß diskutiert. Das ist uns Grund genug, noch ein paar Meinungen einzuholen. Psychodad machte sich auf, um Sandra Borgmann und Michael Herboldt zu interviewen. Sandra spielte die Rolle der Renee Sandra, Michael tauchte an einigen Stellen des Filmes mit seiner ehemaligen Band Smegma auf.

Onlinezine: OiWarning ist schon eine Weile in Kinos. Was ist das heute für ein Gefühl, wenn ihr Euch den Film anseht?

Micha: Ich hab' den Film irgendwie so 30 mal gesehen oder so. Und ich finde den Film eigentlich geil. Immer noch geil. Am Anfang fand ich ihn seltsam, weil es eben ein bisschen schwieriges Thema ist. Ein hartes Stück Leben halts. Aber je mehr ich den Film gesehen hab, desto mehr hab ich da gesehen und auch neue Sachen. Es ist ganz komisch.

für unsere Kamera mochte Sandra nicht wirklich posen...

Onlinezine: Wie ist der Film bei dem Publikum angekommen?

Micha: Ja, sehr gut eigentlich. Bei dem normalen Publikum ist er sehr gut angekommen, bei den Skins ist er weniger gut angekommen.

Sandra: Bei den Lehrern kommt er auch schlecht an.

Onlinezine: Wieso das denn? Das wäre doch die perfekte Warnung...so nach dem Motto: "So nicht Jungs!!"

Sandra: Jaa, aber die Pädagogen leben in dem Wahn, dass es noch alles noch gut ist (lach). So, und dann sehen sie sich es an, und ah du liebe scheiße...das können sie sich nicht ansehen. Das ist ihnen zu heftig. Die Pädagogen sind auch so verkopft und soo theoretisch, und sie sehen das es da so körperlich ist und extrem wenig theoretisch. Sondern, um das mal anders auszudrucken, sehr praktisch. Damit können sie nichts anfangen, das macht ihnen angst und dann lehnen sie das ab. Und sie sehen die Lehrerfigur im Film und hängen da sofort stundenlang daran auf. Und das kann man sich das nicht vorstellen, weil es geht nämlich um vieles. Der Lehrer ist eine Figur darin. Und sie hängen sich schon an der Figur auf. Die Lehrerfigur ist völlig überzeichnet, wo ich dann sage, ich verstehe den Vorwurf und was ihr meint. Er ist auch nach Aussagen der Betreffenden so zugespitzt, so komprimiert, aber....meine Lehrer waren so auch!

Onlinezine: Du meintest die Lehrerfigur wäre zugespitzt dargestellt. Waren das eigentlich nicht alle Figuren?

Micha: Es handelt sich hier um einen Spielfilm halt. Und du kannst nicht alle Verkettungen in eine Person legen, so das du überspitzen musst. Du kannst nicht die ganzen Leute zeigen , Du kannst nur versuchen verschiedene Leute in Einzelpersonen darzustellen. Dann überspitzt sich das natürlich.

Onlinezine: Ist das eine Satire?

Micha: mmmmh, das kannst Du so sehen, aber ich glaube schon, dass der Film erst gemeint ist.

Onlinezine: Na gut, aber in der Regel ist Satire auch ernst gemeint. Satire ist auch nicht nur zum Lachen da, sondern auch um überspitzt gewisse Sachen dazustellen.

Sandra: Ich finde den Film wirklich nicht sehr satirisch. Er könnte ...sehr humorvoll sein an ganz vielen Stellen. Ich glaub so 2/3 des Filmes ist leicht und sehr komisch, so. Natürlich ist nicht alles eins zu eins dargestellt, sondern auch anders gemeint ist, halt. Die Sache, wenn Koma da boxt, man hört diesen Song: "Koma, Koma, Koma, Koma" (Sandra Singt), da sieht's man von einem anderen Blickwinkel. Natürlich ich als eine Figur ...Renee Sandra ist eine komische Figur. So...die Renees fühlen sich da unverstanden und sagen: So sind wir nicht. So sind vielleicht die Faschorenees. Die stehen an der Wand und tanzen nicht mit. Wie ist die denn drauf, so sind wir doch gar nicht. Die kann man nicht ernst nehmen. Aber sie unterschätzen auch die Funktion der Figur in der Geschichte. Also, wenn Sandra nicht wäre, dann kann man sich nicht zurücklehnen und lachen.

Onlinezine: Wie hast Du Deine Rolle als "Freundin von ..." empfunden?

Sandra: Du meinst, das ist Koma, und das ist seine Freundin.

Onlinezine: Ja, genau

Sandra: Erstens, ich finde, daaaas ist soo! Das stimmt! Wobei irgendwann zieht sie auch `nen Schlussstrich und sacht, so läuft es nicht mehr. Und macht erst mal das Maul auf und so.

Onlinezine: Aber erst später!

Sandra: Jaaa, aber ich meine, es ist `ne Figur. Also es heißt, wenn ich da auch als Frau ran gehe, dann kann ich nicht sagen, mein Gott, ist das denn Frauenbild. Auch viele Renees regen sich förmlich darüber auf, viele Frauen regen sich darüber auf und stellen die gleiche Fragen wie du. Wo ich denke, geh doch mal in die Plattenbausiedlung. Da siehste keine Alice Schwarzer, in den Küchen ...das Essen kochen, den Müll runtertragen, sie putzen den ganzen Tach und wenn er sach Bier, dann holt sie Bier. Weißt Du, es ist so, so...(Alle lachen!) Es ist auch so. Und sie machen auch viele Sachen mit. Und das ist o.k. Also das ist realistisch. Zehn Prozent der Frauen aus solchen Familien oder die in solchen Verhältnissen aufgewachsen sind, leben das....aber warum gerade die 10 Prozent erzählen und nicht die 90 Prozent...das ist einfach realistischer.

Onlinezine: Für die Frau allgemein, gilt das auch für Renees?

Micha. Da, wo er sich wirklich wohl fühlt.

Micha: Die Sache ist, es ist einfach eine Subkultur. Und Subkultur ist eine kleine Kultur in einer großen Kultur. Da werden wir die selben Gesellschaftsformen finden wie in anderen Haushalten halts auch. Und es ist einfach auch so. Ich kenne viele Renees, die sich selbst stark darstellen und auch stark sind, weil sie einfach mit viel mehr Männlichkeit konfrontiert werden, von daher versuchen sie sich auch irgendwie durchzuboxen. Von daher sag ich mal so... es gibt Renees wie Sandra, wie im Film halt... durchaus, die dann aber `ne Entwicklung durchmachen und es gibt Renees auch... die auch ihre Männer im Griff haben einfach und dann auch sagen, dadurch dass sie eine Machtposition haben, Junge so nicht, und wenn, dann kannst du morgen von der Tür schlafen.

Sandra: Aber ist doch auch eine völlich fest gefahrene Frauenrolle. Der Mann säuft, und Frau sagt, komm` Männlein laß uns nach Hause gehen. So ist es genau auch in den Familien, so muß es auch das sein. Frau kümmert sich darum, dass der Mann auch unbedingt nach Hause schafft, dass es nicht so weit kommt, dass sie ihn tragen muß, weil tragen kann sie ihn nicht. Und sie zieht ihm noch die Socken aus, damit er auch ordentlich im Bett schlafen kann. Jetzt zum Beispiel in Jena, da hatten wir eine Disskusion mit dem Publikum gehabt, direkt nach dem Film. Der Großteil verlässt das Kino, und der Rest bleibt aus welchen Gründen auch immer im Foyer, um denn noch mit dir persönlich zu sprechen. Im Kino selber reden nur die Männer, reden nur die Skins. Die Frauen kriegen das Maul nicht auf. Die sitzen vorne, und dann wie siehst Du denn aus? Dann sach ich, stelle doch die Frage laut, weil es einfach kommt aus dem Publikum. -ehhh Nee! Dann war auch noch eine Reneetorte, so `ne dicke, sie sah aus wieee, ja wie `n Mann tatsächlich, weißt de, also, dass man.. so, ne also...so hauptsächlich nicht.. Hauptsache nicht weiblich, sondern halt so, ne, trinkt halt auch so viel Bier, deswegen auch bisschen dicker

Onlinezine: ...Raucht auch `ne Zigarre ! (Micha lacht am lautestem)

Sandra: Also die Nummer so, sie hatte auch so `nen Style, so `nen look hatte halt und so. Aber das Maul auch nicht aufkriegte. Die dann danach, nach dem Film zu mir hinkam und halt dann genau darüber aufzuregen, wie man so `ne Frau darstellen kann. Das bedeutet, dass es nicht stimmt, so seien die Renees an sich nicht. Aber bevor sie zu mir gekommen ist, das

hat mir eine Freundin erzählt, die es beobachtet hat, ...weil sie wollte mir diese Frage stellen...sie fand scheiße die Darstellung... der Figur. Aber dann bevor sie zu mir gegangen ist, hat sie zu ihrem Mann gesagt, Schatz, kommst Du mit? Sie ihn am dann Arm genommen hat und hat ihn hinter sich gestellt...er hatte keine Interesse, guckte nur so, als wusste er nicht wo er hin soll. Und dann aber mit ihm im Rücken konnte sie die Frage stellen. Dann sachte ich, guckt doch, nimm doch die Tomaten von den Augen. Guck` Dir das doch an, wie viele Frauen es sind. Ich sachte, was hat das damit zu tun, es ist eine FIGUR. Es ist eine konkrete Figur, sie ist halts so. Es ist ein Film. Und sie ,wenn es halt heftiger wurde, dann sofort ihrem Mann anguckte. Und dann denke ich, es ist gerade interessant, dass Du Dich darüber aufregst. Ich wurde bei ihr nicht vermuten, dass sie ohne ihm so eine Aktion starten könnte.

Onlinezine: Ich gehe davon aus, daß Du Dich vor Oi!warning nicht mit der Skinheadszene in dem Maße auseinandergesetzt hast.

Sandra: Nee, gar nicht! Ich kannte die Szene Null.

irgendwie wollte sich Sandra von uns nicht fotografieren lassen...

Onlinezine: Wie ist der Unterschied für Dich zwischen dem reellem Skin und den Skins in OiWarning?

Sandra: Man muß immer wieder betonen, es ist kein Dokumentarfilm über Skins. Es ist ein Skin, der gezeigt wird, Koma. Und der Janosch, der dann halt auch Skin wird. Und für den das offensichtlich nicht das Richtige ist. Das heißt, man kriecht Einblick in die Szene, auch vor allen Dingen geht es um die Figuren, die sie leben. Und es ist kein Film, über die Skinheadsszene. Es ist ein Film über ganz andere Sachen. Vor allen Dingen...spielt es in der Skinheadszene. Das finde ich sehr wichtig zu betonen, weil die Skins selber es oft mal verwechseln und denken, sie bekommen das super Dokumaterial, und das ist es einfach nicht. Und ich muß sagen, dass ich so die ...grundsätzliche Lebenseinstellung, die Koma grundsätzlich erst mal hat, Hauptsache Party, Party... Saufen, auf ein Konzert gehen und auch mal prügeln. Hab ich schon auch gefunden, in der Skinheadsszene. Sicher jeder ist gut drauf. Aber alles sind Alkoholiker, ja nicht alle, das heißt so 90%. Es ist einfach so. Die saufen ohne Ende.

Onlinezine: Wenn ich mir andere Szenen anschaue, dann kann ich nicht sagen, nur die Skinheads wären Alkoholiker.

Micha: Das ist aber das Schöne daran. Es keine Sache über die. Man kann nicht alles so ... drüberlegen. Es sind zwei Figuren und da kannst Du auch nicht die ganze Szene da mit reinpacken.

Sandra: Nee, darum geht es auch nicht.

Micha: Und... die Klischees, die da verarbeitet werden, also auch die Dinge, über die Du Dich so aufregst... `tschuldige aber ich hab` jedes einzelne Klischee, das in dem Film verbraten wird, hab` ich orginal erlebt. Ich habe die Typen erlebt, ich hab Arschlöcher ich hab` solche Typen wie Janosch erlebt... ich kenn` das alles! Ich habe auch solche Frauen wie Sandra erlebt. Also, ist ok eigentlich.

Onlinezine: Es gibt aber auch noch `ne andere Seite

Micha: Ja, sicherlich gibt es auch noch `ne andere Seite. Logisch.

Sandra: Aber .. ohne Sandra wurde sich die Geschichte nicht erklären! Und darum geht`s ja auch.

Onlinezine: Wäre sie dann weniger interessant?

Sandra: Nein, es geht ja auch nicht um die Klischees, sondern es geht vor allen Dingen um Janosch und um das, was er sucht. Und er trifft gerade auf das Arschloch. Und das ist wichtig...für die Geschichte. Um zu erzählen, was erzählt wird. Wenn er aber zum Beispiel auf nette Menschen treffen wurde, dann wurde auch ganze andere Sachen passieren. Und darum geht es aber in der Geschichte nicht. Er muß auf so`n Arschloch treffen, damit er auch die Sachen für sich checkt. Wenn er auch die Sachen spät checkt. ...Es geht nicht um realistisches Spiegelbild der Skinheadsszene. Überhaupt nicht! Und ich meine etwas aus den Dreharbeiten, Nää? (Micha lacht). Wo Smegma da gespielt hat. Also die Konzertszenen. (lacht hIhiii). Dann Morgens die Fahrt zum Set. So halb acht, acht Uhr so irgendwie...dann kamen sie an mit ihrem Sixpacks Bier ...Am Set darf nicht getrunken werden, war halt so, das muß man auch nicht weiter erläutern. Und so, ab 11 Uhr Vormittags wurde es anstrengend, weil dann wurde es in der Kneipe gedreht. Der Zapfhahn existierte in greifbarer Nähe. Also wo man merkt auch, die Not ist groß. Und wenn man schon einen Tag frei hat, dann will man das auch in Kauf nehmen, ohne Alk geht`s halts nicht!

Micha: Man muß dann auch dazu sagen, wir sind eingeladen worden damals als Band! Wir wollten da halts ein Konzert spielen. Also richtiges Konzert. Wir sollten das selber machen oder mit Freunden und so. Wir sollten also hinkommen und auf das Konzert gehen. Und dann hieß es auf einmal, ..jaaa, Konzert geht nicht, weil hier wird gedreht. Und wie soll man das auch machen und so was.

Sandra: Playback

yeah: verwegen schaut er aus, der Micha!

Micha: Playback spielen und so was...wir sind mit einer ganz anderen Erwartung hergekommen. Und wir haben uns dann auch irgendwie eine Kiste Bier besorgt und haben getrunken und dann kam auch der Aufnahmeleiter und Regieassistent, der uns dann angemacht hat, hier wird nicht getrunken. So dass wir dann auf einmal gesagt haben, so OK, keine Band...wenn kein Bier, dann keine Band. Ganz einfach. Da wird nicht darüber geredet...dann könnt ihr euch die Band irgendwie zusammenstellen und versuchen das zu machen und macht! Und das geht natürlich auch. Dann hamwa auch unser Bier gekriecht, und dann ..ging es auch sehr diszipliniert voran. Also dann waren auch die Leute auch zufrieden. Wir haben getrunken und wir haben dann aber auch mitgemacht. Und das ist einfach auch eine andere Sache. Und das funktionierte das. Wenn Du den Skins Bier gibst , dann funktioniert es.

Onlinezine: (LACHT) Gib dem Handwerker kein Bier, dann kriegst Du das Haus auch nicht fertich

Micha: Ja, eben. Dann war auch die Voraussetzung ganz andere. Es war auch super spannend, mal was anderes zu erleben, vor der Kamera zu stehen. So einen Setalltag in anfungsstrichen zu erleben.

Onlinezine: Die Zeitung "Com!Online" schrieb in der Ausgabe 11/2000 folgendes: Dass Rechtsextremismus und Cliquenkultur im Film aufgegriffen werden ist richtig und wichtig. Was sagt ihr dazu?

Sandra: Dann haben sie den Film leider nicht gesehen.

Onlinezine: Eigentlich ist ein Punk, für den Neu-Skin das Feindbild schlecht hin.

Micha: Dann haben sie nicht hingeguckt. Weil auf dem Konzert waren auch Punks, die da getanzt haben. Und die fallen ins Auge.

Sandra: Ich finde es auch sehr peinlich, ehrlich gesagt. (...) Das hat jemand geschrieben, der einfach Tomanten auf den Augen hat. Es ist auch ein Brennpunkt für die Presse, dass da unpolitische Skin gezeigt werden.

Onlinezine: Ich bedanke mich für das Interview und viel Erfolg noch!

Zu diesem Interview erreichte uns noch ein Kommentar von Dominik Reding. Es geht um die Situation am Set und vor allem um das Alkoholverbot an Drehorten. Das Statement könnt ihr im Anhang lesen.

Psychodad