Hellfire Radio
Laut isset im Kölner Studentenradio

 

Mittlerweile eine Institution im Kölner Szenepanoptikum ist Hellfire Radio, eine Punkrock und Hardcore Radio-Show die inzwischen, und das ist für Projekte dieser Art besonders bemerkenswert, ihren 6. Geburtstag feiern konnte. Grund genug den Damen und Herren mit ein paar Fragen auf den Pelz zu rücken.

Onlinezine.de: Erzählt uns die Hellfire-Story. Wo und seit wann läufts? Wie kams und wer machts?

Hellfire: Puh, die Mutter aller Fragen direkt am Anfang, da könnte man'n Buch drüber schreiben. Ich versuch's mal in Kürze: HELLFIRE RADIO läuft seit 2002 zweimal im Monat auf dem Kölner Hochschulradio Kölncampus, auch bekannt als "die Hundert". Wir senden live, und zwar am 2. und 4. Freitag, jeweils von 20 bis 22 Uhr. Wie es dazu kam, das ist schon fast ne persönliche Geschichte. Als ich im zarten Teenie-Alter mit 13, 14 begann, Punk zu hören, war es im Gegensatz zu heute nicht so leicht, an Informationen oder Musik zu kommen. Erste Quelle war der große Bruder eines Schulfreunds, er hatte auch den diebischen Spaß dabei, uns Bengels mit subversiver Musik zu infizieren, auf die wir von selber nie gekommen wären.
Aber dann muss ich auch schon als zweite wichtige "Quelle" John Peel nennen, dessen Sendung auf BFBS damals für uns so was wie Sportsschau, Wort zum Sonntag, Tatort und Harald Schmidt zusammen war: Absolut Kult, unverzichtbar, lebensnotwendig und außerdem das Wochen-Highlight.

Beeinflusste eine ganze Generation hoffnungsvoller
Punk-Rocker... John Peel

Ebenfalls in dieser Zeit gab es mal ne Doku im Fernsehen über Punk in den USA, mit Schwerpunkt auf der Westküste. Ich sah und hörte erstmals was von Black Flag, was mich nachhaltig prägen sollte, und ganz wichtig in dem Film war ein anderer Radio-DJ namens Rodney Bingenheimer. Somit war für mich schon früh die Verbindung "Punk"-"Radio" geschlossen, und ich träumte davon, so was auch mal machen zu können.
Später als Jungstudent bin ich tatsächlich jobtechnisch beim WDR-Radio als Hiwi gelandet, musste aber sehr schnell sehen, dass dort im Leben kein Platz für eine Punkrock-Show sein würde. Als es dann mit dem Privatradio losging, musste man schnell einsehen, dass die noch schlimmer waren.
1994/95 aber stolperte ich dann über eine Zeitungsmeldung, nach der die Gesetzeslage in NRW so geändert werden solle, dass Uni-Radios möglich werden sollten. Ich war nicht der einzige, dem das aufgefallen war, und so gehörte ich zu den Gründungsmitgliedern des Vereins "Campuswelle", aus dem später Kölncampus werden sollte. Mein ganzes Engagement in dem Verein war von Anfang an darauf ausgerichtet, ne Punkrock-Sendung über Antenne rauszuschicken, und dieser Traum ging dann nach einigen Jahren 2002 in Erfüllung.
Am Anfang waren wir nur zu zweit, Johan und ich, mittlerweile sind wir neun Leute zwischen 21 und 41 (der alte Sack bin ich), sechs Typen und drei Frauen, allerdings sind alle Beteiligten mehr oder weniger Teilzeitkräfte, denn bei Hellfire Radio und Kölncampus wird ehrenamtlich gearbeitet und da geht natürlich Zeit für Studium, Arbeit, Job, Familie/Freunde, Bands und vieles mehr drauf.

Onlinezine.de: Was bringt Euch dazu zu vermuten , dass da draußen viele potentielle Hörer für eine Punk-/HC-Radio Show sind? Das ist ja doch eher ungewöhnlicher Stoff im Radio.

Hellfire: Wenn Du mal Leute fragst, egal ob Punk oder Normalbürger, kotzen alle über die Musik im Radio. Wirklich zufrieden ist keiner, da alle Sender so'ne Mischung spielen, mit der sie eigentlich keinem weh tun wollen, de facto aber alle foltern. Die Lösung dafür kann meiner Meinung nach nur ein Spartenprogramm sein, das heißt Sendungen, die sich gerade mit der Musik genau an bestimmte Zielgruppen wenden.
Bei Kölncampus haben wir das Glück, weder von Einschaltquoten noch von Zuwendungen der Musikindustrie abhängig zu sein: in der Armut liegt das Glück, Musik spielen zu können, die wir spielen wollen. Außerdem kommen wir bei Hellfire ja nicht vom Elfenbeinturm, wir sind alle mehr oder weniger in der Szene verwurzelt, wissen von daher auch, dass die Leute Bock auf so was haben. Ehemalige und auch jetzige Hellfire-Redakteure sind selbst Punkmusiker oder waren in Fanzines, Konzertgruppen oder als Aufleger aktiv, wir kommen also alle aus Punk-Netzwerken, und Ziel ist auch, dass Hellfire Radio in einer Stadt wie Köln eine Art Plattform und Verbindungspunkt anbietet.
In Köln hat sich nie eine gemeinsame Szene herausgebildet, sondern es gab immer viele Grüppchen mit eigenen Süppchen, die zum Teil noch nicht mal voneinander wussten. Wir versuchen da zumindest, Info-Lücken zu schließen und vielleicht auch, manche Mauer der Ignoranz einzureißen. Außerdem ist es eine schöne Sache, Bands im Radio auch als Gäste zu präsentieren, die sonst nie oder höchstselten die Möglichkeit dazu bekämen. Manchmal wundern wir uns selber, wie viele Bands es in und um Köln herum gibt, die Punk- oder artverwandte Musik machen. Von daher ist zumindest von den Menschen, die sich in Punk, Hardcore, Oi oder ähnlich subversivem Radau zuhause fühlen, ein recht großes Hörerpotential für uns in Köln.

Onlinezine.de: Bekommt Ihr Feedback auf Eure Sendungen? Wie sieht das aus?

Hellfire: Es hat einige Zeit gedauert, Feedback einzusammeln, da wir leider kaum Hörer-Emails bekommen. Aber dann kommt man mal am Tresen oder bei einem Konzert mit jemandem ins Gespräch und erfährt, dass doch etliche Leute aus den relevanten Szenen uns zuhören, mal mehr und mal weniger regelmäßig. Wir laden ja auch immer Gäste ein, Bands aus der Region, und deren Freunde hören dann zu, und mancher bleibt uns auch als Hörer erhalten.
Grundsätzlich ist das Feedback positiv, einfach, weil die Leute froh sind, dass so eine Musik wie bei uns überhaupt im Radio gespielt wird oder das Themen bei uns Platz haben, über die sonst niemand berichtet, zum Beispiel, als der Sonic Ballroom geschlossen werden sollte, oder das Thema "Nazi-Metal in der Kolbhalle", auch Besetzungen oder ähnliches. Da verzeiht man uns auch manche Schwäche in der Professionalität oder manch flachen Witz. Meist heißt es: "Super, dass Ihr das macht."

Onlinezine.de: Kennt Ihr Eure "Einschaltquoten"? Oder nach welchem Maßstab bemisst sich bei Euch eine erfolgreiche Sendung?

Hellfire: Einschaltquoten gibt's bei Studentensendern gar nicht, angeblich sind die Verfahren, nach denen üblicherweise Quoten erhoben werden, bei Hochschulradios nicht anwendbar. Erfolg messen wir eigentlich erst mal ganz subjektiv daran, wie es uns selbst gefallen hat. Eigentlich ein traumhafter Luxus, um den uns Radio-Profis bestimmt beneiden dürften. Hinzu kommt natürlich, wie es den Gästen gefallen hat, wie die so drauf waren, ob die Abläufe gestimmt haben. Und manchmal gerät man später am Tresen mit jemandem ins Gespräch, der einem vorher noch im Radio zugehört hat. Das macht einen auch nach sechs Jahren immer noch stolz, da sind uns Quoten eh völlig Latte.

Onlinezine.de: Ich nehme an nicht jeder Eurer Gäste, meist Punk- / HC-Bands aus der Region, war schon mal in einem Radio-Studio. Erzählt doch mal ein paar bemerkenswerte Live-Studio-Anekdoten.

Hellfire: Grundsätzlich hat sich eine Beobachtung herauskristallisiert: Egal, was für eine Rampensau jemand in seiner Kapelle ist, vor dem Radio-Mikrofon haben alle immer noch eine gewisse Scheu. Oft sind die größten Schreihälse bei uns die stillsten Messdiener. Wir versuchen dann, über das Spielen der Lieblingsmusik unserer Gäste, über lockeres Rein und Raus im Studio und natürlich Bier, so ein bisschen Wohnzimmer-Party-Atmosphäre zu erschaffen, damit die Gäste die Mikros "vergessen" und drauflos plappern.
Viele Anekdoten haben dann natürlich mit Alkohol zu tun, ich erinnere mich an eine Ramones-Tribute-Sendung, in der der völlig breite Sänger einer nicht mehr existierenden Kölner Punkband damals mitten im Ramones-Song über den Tisch ins Mischpult griff und alle Mikrofonregler hochzog, um dann lauthals den Refrain on air mitzugrölen, das hat fast die Studioanlage zerfetzt. Oder die Bandfreunde, die sich in der Interviewpause so sehr über das, was sie als nächstes sagen wollten, zerstritten, dass sie sich fast aufs Maul gehauen haben. Andere erzählten amouröse Anekdoten von ihrer letzten Tour und vergaßen, dass da draußen auch noch Leute zuhören. Rührend war der Punkrock-Seemanns-Chor "Rockaway Shanty", die mit 13 Mann, Akkordeon, Rum und Bier zur Sendung kamen und zu zwölft wieder ging - einen Matrosen hatten sie besoffen aufm Klo vergessen.
Eine Sternstunde war sicher die Sendung, in der Ex-Adverts-Sänger TV Smith und The Bottrops, die Ex-Terrorgruppe, da waren. TV Smith spielte dann live während der Show auf der Akustikgitarre "Bored Teenagers", und die Bottrops und wir haben den Refrain live und laut mitgesungen.

Onlinezine.de: Was treibt Euch an immer weiter zu machen, nachdem es schnelles Geld und Ruhm offensichtlich nicht sind?

Hellfire: Zum einen ist es immer wieder ein großer Spaß, das muss man einfach mal sagen. Wir haben da ein Radiostudio, eine Frequenz und Sendezeit und können da mehr oder weniger machen, was wir wollen. Außerdem, mal ehrlich: Wenn Ihr am Freitagabend raus gehen wollt, dann geht doch keiner vor 22 Uhr ausm Haus, es sei denn, ein zeitiges Konzert beginnt. Wir tun das auch nicht, sondern glühen quasi vor, genauso wir Ihr, mit guter Musik, Freunden und Bier. Nur, dass man bei uns zuhören kann. Das ist einfach immer wieder geil.
Zum anderen aber sehen wir auch, dass wir mittlerweile in der zerklüfteten Kölner Szene eine Art Konstante bilden, die Leute auch zusammenbringt, die vorher nichts miteinander anfangen konnten oder sich noch nicht einmal kannten. Man kennt und respektiert uns, egal, ob Rotzpunkband oder Emocore-Kapelle, ob Rocksäue, Hardcore-Freaks, Politaktivisten oder Saufbolde. Bands und Veranstalter kommen auf uns zu, und wir konnten auch schon konkrete Hilfe leisten, das ist eine schöne Bestätigung und gleichzeitig Antrieb, weiterzumachen.

Onlinezine.de: Gibt es weitere Aktivitäten unter dem Label Hellfire?

Hellfire: Einmal im Jahr, meist Ende Februar/Anfang März, veranstalten wir unsere Geburtstagsparty im Sonic Ballroom, bei der wir Bands auftreten lassen, die nicht aus der Region sind, die wir gut finden und die auch noch ein wenig Förderung vertragen können. Das Konzert übertragen wir dann auch live im Radio, also so eine Art "Rockpalast" on air, ich glaube, das ist deutschlandweit einmalig. Ab und an legen auch Hellfire-Redakteure irgendwo auf, Hellfire-Abende gab es schon in der Lotta oder dem Sonic Ballroom.
Im Internet findet man uns bei myspace; was die Zukunft noch bringt, keine Ahnung. Da muss ich auch ganz ehrlich sagen, dass ich als Hellfire-Opa die Weiterentwicklung des Formats den Jüngeren überlasse. "HELLFIRE TV" wäre so ein Zukunftsprojekt, vielleicht als Internet-Fernsehen, Ideen gibt es da auch schon, aber das ist ganz weit entfernte Zukunftsmusik.

Onlinezine.de: Als alte Hasen im Geschäft, gebt doch mal den Youngsters ein paar Tipps, die jetzt sagen "Ach so ne Radio-Show, das könnte ich doch auch auf die Beine stellen". Gibt es irgendwas was man besonderes können sollte?

Hellfire: Grundsätzlich empfiehlt es sich, kommunikativ zu sein. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Mancher labert viel, ist aber nicht wirklich kommunikativ in dem Sinne, dass er/sie auch zuhört oder verständlich redet oder daran denkt, was Hörer interessieren könnte. Außerdem ist man ja auch darauf angewiesen, dass die Zielgruppe einen respektiert. Kommunikativ sein heißt dann auch, glaubwürdig/authentisch zu sein, manchmal diplomatisch zu sein, auch den Kontakt offensiv zu suchen, ohne den Leuten gleich auf die Eier zu gehen.
Und man muss lernwillig sein: Auch der größte Quatsch und vermeintliche Dilettantismus, den man im Radio schon mal hören kann (auch gerade bei uns), will gekonnt sein. Will sagen: Radio machen ist ein Handwerk, wo man Grundkenntnisse beherrschen sollte. Das kann man aber problemlos lernen, es gibt viele Radio-Werkstätten oder eben Uniradios, wo man für wenig oder gar kein Geld die wichtigsten Dinge erfahren kann. Wer irgendwas mit einer Kölner Hochschule zu tun hat, als Student eingeschrieben ist oder da arbeitet und Bock auf Punk und ähnliches hat, der / die sei bei uns willkommen. Wir suchen immer wieder neue Leute und können, bei allem Quatsch, auch wirklich etwas beibringen.
Kontakt: hellfire@koelncampus.com http://www.hellfire-radio.de

Onlinezine.de: Hey vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Wir wünschen Euch auf jeden Fall noch viele Geburtstagspartys!

Für das Onlinezine fragte nach: Savage Alex