Onlinezine in San Francisco

Auf Einladung der Inciters hat sich Euer Joe Travolta einen Jugendtraum erfüllt und hat sich an die Westküste geschlagen, nach San Francisco/ California.

wenn ich mal groß bin...

Wenn man sich in die Staaten aufmacht, hat man eine Menge Klischees im Kopf, von dicken, schlecht gekleideten Fast Food Junkies über Leute mit schlechtem Musikgeschmack bis hin zu unfreundlichen Bullen, für die Du eine Gefahr für den American Dream darstellst. Viele der Klischees werden erfüllt, nur in San Francisco ist alles ein bisschen anders.

Nach dem 11. September ist eine Sache, die man wusste, klarer geworden: der unerschütterliche Patriotismus der Amerikaner. Man wird von den Stars and Stripes nahezu erschlagen. In der nachweihnachtlichen Zeit war die Standarddeko der Weihnachtsbaum und im Fenster die Fahne. Jedes zweite Auto ist beflaggt und selbst in China Town werden Wände mit der Flagge übertüncht- und mit asiatischen Schriftzeichen versehen: 'God bless America'. Der Krieg wird überall thematisiert, wenn aber auch auf eine sehr einseitige und oberflächliche Art und Weise. Das in seinen Grundfesten erschütterte Amerika versichert sich seiner Stärke: them against us. Und die Amerikaner sehen sich unerschütterlich als 'the good guys'. Man darf nicht vergessen, sie sind das erste Mal seit Pearl Harbour auf Ihrem eigenen Grund und Boden angegriffen worden. Das war der fade Beigeschmack meines Besuches. Auch, wenn ich sehr viele Leute getroffen habe, die zwar auf ihr Recht auf Verteidigung plädieren, aber durchaus kritisch über die Einsätze Ihrer Armee nachdenken. Aber das soll hier eigentlich nicht Thema sein.

Rooky Ricardo's Records:
heaven on earth

Eigentlich kam ich wegen einer Sache, in der die Staaten uns Europäern immer noch was vormachen können: Musik. Namentlich bewegte ich mich im Namen des Northern Soul. Ich wurde nicht enttäuscht und konnte meinen Horizont erweitern. Im Gegensatz zu anderen Teilen der USA sind die Kalifornier, insbesondere in Metropolen wie San Francisco durchaus traditionell. Stilmischungen wie an der Ostküste sind nicht so ihre Sache. Ich bin auf eine Menge Leute getroffen, die eine ganze Menge Ahnung von dem hatten, was sie da hörten und konsequent traditionelle Mischungen gefahren sind. Das war äußerst angenehm, egal, ob es um Soul, Ska oder Reggae ging. Ist auch kein Kunststück in einer Stadt, in der man einfach zu Rooky Ricardo's geht, um sich für ein Spottgeld mit den feinsten Vinylorginalen einzudecken- schwarze Musik von Jazz über Soul, Reggae bis R'n'B bis Rock'n Roll. Und das in der Masse auf 45ern! Dazu die kompetente Fachberatung der mittelalten schwarzen Mutti an der Theke: im Zweifelsfall konnte sie Dir das gewünschte Stück vorsingen. Herrlich. Hier dürfte ich die meiste Zeit meines Urlaubs verbracht haben. Inspiration gab es von Radiostationen, wie KPOO, die einen unter anderem mit einer mitternächtlichen 60ties Soul Show überrascht haben -was es da noch alles gibt...

The InCiters! bei der Probe

Will aber nicht heißen, dass Euer Joe Travolta nur seiner Vinylabhängigkeit nachgegangen ist. Er hat auch sein Ärschle auf Livekonzerten wackeln lassen. Nicht sonderlich viele, aber immerhin ein geniales und letztes Konzert der High Fives in Berkeley, eine coole Beat Show der Beatcrombers und -natürlich- eine Show der Inciters! Daneben kam es sehr viel zum Auflegen. Erstaunlicherweise ständig im Rahmen von Privatparties, auf denen sich oft über 50 Leuten in die Häuser drückten. Immer eine vitale Mischung aus Mods, Skins und 60ties affinen Freaks. Dementsprechend war auch die musikalische Mischung. Das Highlight in einer Mod Plattensammlung war übrigens eine deutsche Pressung des Schulmädchenreports. Überhaupt war 'german softporn soundtracks' eine große Sache. Na, danke. Immerhin wurde ordentlich getanzt und man bekam zu einer großen Auswahl entspannender Kaltgetränke die teilweise exotische Mischung fabelhaft gekleideter kalifornischer Frauen zu Augen. Schön anzusehen. Die Männer standen dem allerdings in nichts nach. Selten so viele Anzüge gesehen. Selbst, was die Fortbewegung betrifft, ist man dort wählerisch. Wer nicht mit der obligatorischen Papiertüte unterm Arm aus dem Bus fiel, rollte auf Scootern ein. Vor jeder Party ein Arsenal von Vespas und Lambrettas. Viele aus den 60ties und in erstaunlich gutem Zustand.

Nightlife.

Eine andere nette Erfindung sind die Zeiten, zu denen sich dort das Rad dreht. Viele Sachen fingen recht früh an und man lag nach einer erfüllten Nacht so früh im Bett, das man sich völlig problemfrei am nächsten Morgen bei Rooky Ricardo's einfinden konnte :o). Auch schön waren am Sonntag DJ- Nachmittage im 'Mad Dog In The Fog', einem leckeren Irish Pub. So könnten die Wochenenden in Deutschland auch mal enden. Auch wenn ich Kneipen bevorzugen würde, in denen man a) rauchen darf und b) das Bier unter 4 Dollar kostet. Scheinbar lebt man nirgendwo gesünder als in Kalifornien. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass selbst ich noch den Ausweis zücken musste, um ein Bier zu bekommen. Ist schon komisch, sich vor die Tür drücken zu müssen, um eine zu rauchen um beim Reingehen dann Probleme zu bekommen, weil man den Pass drin vergessen hat.

Daneben hat San Francisco natürlich auch noch anderes zu bieten: ein wunderschöne Stadt, eingebettet in eine atemberaubende Landschaft. Mein nächster Besuch dort ist nur eine Frage des Geldes, die Lebenshaltungskosten sind für europäische Verhältnisse atemberaubend. Trotzdem verstehe ich jetzt, welche Faszination von dieser Gegend ausgeht und werde mich wieder dorthin bewegen. In der Hoffnung, nicht in der letzten Nacht von den Cops aus der Bude gezogen zu werden, weil KPOO etwas zu laut war: "San Francisco Police Department, open the door!"

Joe Travolta

und noch ein paar Ansichten, auch zum Vergrößern: