Die Wiederauferstehung der B.

Ska got Soul- seit zwei Jahren sind The Braces wieder am Start: ein Interview mit Sänger und Gitarrist Jockel

2000, Köln. Die Popkomm naht und mit ihr Matzge von Pork Pie, der mir begeistert erzählt, daß The Braces wieder spielen. Mitte der 80er gegründet, gehörten sie bei der Gründung des Labels zu einer der ersten Bands auf dem Label. The Braces machten mit Liedern wie "Julie, Julie" Furore, um 1991 zu verschwinden. So versammelten sich im August 2000 ein harter Kern Kölner Skafans im strömenden Regen, um völlig durchnäßt aber glücklich die Wiederauferstehung zu feiern. Bei der anschließenden "Aftershowparty" lernte ich Sänger und Gitarrist Jockel kennen, der sich bei jedem Besucher einzeln mit einem Schnaps für das Durchhaltevermögen bedankte. Jetzt ist genug Zeit ins Land gegangen, um ihm endlich ein paar Fragen zu stellen, zudem die Braces mit "Ska Got Soul" auf Black Butcher ihren ersten Longplayer nach 12 Jahren Abstinenz herausbringen.

Onlinezine: Wann habt Ihr Euch genau gegründet?
Jockel: Das war im Frühjahr/Sommer 1984. Wir waren zu der Zeit zwischen 16 und 18, eine klassische Schüler-Band. Nur, dass wir Oi! und später Ska gemacht haben.

The Braces 1986 in Krefeld

Onlinezine: Das war eine Zeit, zu der Ska in Deutschland nicht sonderlich populär war. Was war Eure Inspiration?
Jockel: Die kurze Antwort wäre: Es war die Musik, auf die wir uns einigen konnten.
Und jetzt die lange: Bei mir fing es 1980 an, als ich mit vierzehn diese legendäre Folge des Musikladens gesehen hab. Da sind sowohl Madness als auch die Specials aufgetreten. Mein Bruder hatte am nächsten Tag das Album von Madness. Und ich hab mir die Single "Rudy A Message To You" gekauft. Als ich mir das Teil zu Hause anhörte, war ich etwas enttäuscht, dass das gar nicht die Version der Specials war, sondern das Original von Dandy Livingstone. Nach einer Weile fand ich die aber auch super, zum Geburtstag hat mir mein Bruder dann das Album der Specials geschenkt. Und im Sommer 80 hab ich mich bei einer Sprachreise in London mit allem anderen eingedeckt: Badges, Anzug, Krawatte, etc. Zufällig war der Sohn meiner Gastfamilie Mod. Da hab ich dann schon jede Menge über das schwierige Verhältnis von Mods zu Skins gelernt. Der Wille war dann auf jeden Fall da, in einer Ska-Band Gitarre zu spielen. Nur die Umsetzung hat etwas länger gedauert. Es gab genau einen Typen, der erstens die gleiche Musik super fand, und zweitens ein Instrument spielen konnte. Drittens der auch noch ein Freund von mir. Das war Martin. Der konnte Saxofon spielen und auf dem Klavier rumhämmern. Wir haben uns bei mir getroffen und ein paar Dinge ausprobiert. Aber viel ist da nicht bei rum gekommen. Irgendwann hat mich dann ein Typ (Lars) in der Schule angesprochen. Der hatte gehört, dass ich Gitarre spiele. Mit seinem Kumpel Daniel wollte er eine Band gründen. Oder eigentlich hatten die beiden sie schon gegründet. Der Name stand nämlich: "The Braces". Zuerst hatte Lars Schlagzeug gespielt und Daniel Bass. Aber das hat nicht so richtig funktioniert. Dann haben sie die Instrumente getauscht. Der Vorteil war: Lars konnte dann gleichzeitig Bass spielen und singen. Daraus ergab sich ein ganz eigener Stil. Lars konnte am Anfang nämlich nur auf der dünnsten und höchsten Saite vom Bass spielen. Und gleichzeitig hat er die gleiche Melodie gesungen, die er auch auf dem Bass spielte.
Ich hab Martin noch in die Band gebracht. Und Andreas an der Trompete hat für die nächsten ca. zwei Jahre unser Line up vervollständigt. Durch die Bläser und die Songs, die Martin und ich geschrieben haben, kam dann der Wandel zum Ska ziemlich schnell.

Onlinezine: Heute ist es vor allem ein Label wie Grover, daß die Szene nach vorn treibt. Wer hat denn damals veranstaltet, Platten rausgebracht etc.?
Jockel: Die Szene musste sich erst mal finden. Wir wussten nichts von anderen Bands, die auf einem ähnlichen Trip waren. Als Ska-Band hing man irgendwie zwischen den Stühlen. Die Mods standen mir persönlich eigentlich näher. Aber die hatten zum Teil Schiss, auf Ska-Konzerte zu gehen, weil sich auch einige Glatzen da blicken ließen.

Jockel, 1985 im Proberaum

Onlinezine: Was ist Euch in den ersten Jahren denn widerfahren, daß ihr so eine große Nummer in Deutschland wurdet?
Jockel: Es gab den einen oder anderen Tape-Sampler, und dann die ersten Konzerte zum Beispiel im Okie Dokie in Düsseldorf, wo circa 1986 Braces, Skaos und Blue Beat auf der Bühne standen. Mit Blue Beat wurden wir auch "Dance Craze Society" in Hannover gebucht. Und dann ging's Schlag auf Schlag. Ein Live-Tape von unserem Gig in Hannover kam einem Typen vom englischen Label Link in die Finger. Der hat uns gefragt, ob wir nicht Bock hätten, bei einer Compilation mitzumachen. Wir haben 8-Spuraufnahmen von "Julie, Julie" und "The Letter" geschickt. Und dann hatten wir auch schon bald die erste Vinylscheibe mit unserer Mitwirkung draußen. Wir haben Post aus der ganzen Welt gekriegt. Neben Link Records hat uns auch Unicorn angeboten, ein Album zu machen. Wir haben uns für Unicorn entschieden, hatten auf einmal jede Menge Konzerte (Stanley Head in Lübeck, das Blockschock in Berlin, mehrmals Hannover, Nürtingen, Schwimmbad in Heidelberg. Und im Dezember 1988 sind wir im Vorprogramm der Bad Manners durch England und Schottland getourt. Ein paar andere Bands haben mit im Vorprogramm gespielt: Das waren Skaos, Napoleon Solo und Bim Skala Bim.

Onlinezine: 1991 haben die Braces eine Pause eingelegt, die fast 10 Jahre ging, wie kam's?
Jockel: Es ging nicht so richtig weiter. Nach zwei Platten für Indie-Label wollten wir was bei einer großen Plattenfirma machen. Wir haben mehrere Demos aufgenommen, um festzustellen, ob das geht. Dabei ging dann ziemlich viel Spass flöten. Wir waren es auch leid, diese ewigen Diskussionen zu führen, die damals immer wieder kamen. Als Kurzhaariger wurde man schnell in die rechte Ecke gedrängt. Und da wollten wir garantiert nicht sein. Und dann kam noch dazu, dass die einzelnen Bandmitglieder wegen Studium und Ähnlichem immer weiter verstreut wurden. Von Bochum, bis Aachen, von München über Bonn nach Marseille. Das ging nicht mehr. Der Auslöser war dann, dass unser Manager auf einmal jede Menge Schulden hatte und mit unserer Kohle und den Verträgen untergetaucht ist. Es kam also einiges zusammen.

Onlinezine: 2000 standet Ihr bei der Popkomm in Köln mit einem mal wieder da. Was hat Euch dazu gebracht, die Instrumente aus dem Keller zu holen?
Jockel: Es gab zwischendurch immer wieder mal ein Konzert von uns. Anfang der 90er jeweils um die Weihnachtszeit, weil wir dann unsere Familien in Krefeld besucht haben. Vorher wurde telefoniert, dann eine Probe und ab auf die Bühne. Das hat super geklappt. 1997 und 1998 hat Thomas Scholz einige Shows für uns klar gemacht. Der war nicht ganz unschuldig daran, dass es die Braces wieder gibt. Für mich war aussschlaggebend, dass Martin signalisiert hat, er wäre wieder dabei. Der war einige Jahre damit beschäftigt, mehrfacher Vater zu werden und eine Familie zu gründen.

Onlinezine: Ihr habt einige gute Musiker der rheinischen Skaszene aufgesogen. Erzähl mal, wer da so dabei ist.
Jockel: Stimmt, Mattes hab ich mal im Underground in Köln angesprochen. Der spielt in total vielen Bands. Früher bei Monkey Shop. Mittlerweile auch bei den Skunk Allstars. Die Organistin Steffi ist ein totaler Glücksfall. Die hat früher in Münster schon in Ska-Bands gespielt. Das merkt man. Die wusste direkt, was zu tun ist. Peter an der Posaune und Chris an der Trompete sind auch super. Wir haben bestimmt ein halbes Jahr nach einem Nachfolger für Lars am Bass gesucht. Bis Geoff dann ja gesagt hat.


The Braces, aktuell

Onlinezine: Von den Original Braces sind noch Martin am Saxophon und Du übrig. Wo sind denn die anderen geblieben?
Jockel: Daniel, der Schlagzeuger, hat in München eine neue Band hochgezogen: die Be Nuts. Die haben es mittlerweile auch schon auf drei Alben gebracht. Lars hat mittlerweile seine zweite Musikschule eröffnet. Er produziert Gospel Musik, spielt ab und zu in einer Gala Band, ein richtiger Profimusiker eben. Ein weiter Weg von unseren Anfängen. Greg an der Orgel hat ein House-Projekt, lässt sich aber auch ziemlich oft bei Gigs von uns blicken. Sebastian (Bariton- und Alt-Saxofon) ist Musiklehrer und wahrscheinlich einer der besten Menschen an seinem Instrument. Marion singt heute bei verschiedenen Jazz-Projekten. Geiger Tom ist als Geschäftsmann schwer reich geworden, glaube ich.

Onlinezine: Ihr seid jetzt wieder richtig aktiv: von Aufnahmen war zu hören und von einem Video!
Jockel: Aha, ein Video, interessant. Würden wir gerne drehen. Ist aber nicht in Planung. Das mit dem Album stimmt allerdings. Wir haben Anfang diesen Jahres erste Demos an die üblichen Verdächtigen verschickt. Matzge ( Vielklang/Pork Pie) fand die Aufnahmen gut (sagte er wenigstens). Aber erstens plant er wohl nicht, sein Programm zu erweitern. Und zweitens war uns eigentlich auch klar, dass wir neben Skaos und den Bad Manners da nicht so richtig ins Programm passen. Wir neigen ja dann doch eher zur sentimentalen Seite des Ska. Nenn es: Gentleman-Ska, Mädchen-Ska oder wie auch immer. Die Leute von Grover haben eine Vinyl-EP angeboten. Die positivsten Reaktionen kamen aber von Mike von Mad Butcher Records. Der ist ein alter Fan. Hat in den 80ern schon bei unseren Konzerten in der ersten Reihe geskankt. Der plant einige Veröffentlichungen. Und die erste, ein Minialbum kommt im Dezember bei Black Butcher Records raus. Die Aufnahmen haben wir bei Ekki Maas in Köln gemacht. Der ist ja als Producer (Dr. Ring Ding, etc) bestens bekannt. Die aktuellen Daten Konzertedaten gibt's auf thebraces.de. Oder auf der Seite von unserem Booker Thomas Scholz.

Und hier noch ein paar Eindrücke, 1985- 2001:

1985-3 1985-4 1985-5 1986-1 1986-4 1989-1
1989-6 1990-1 1990-2 1990-3 1990-5 1990-6
1990-8 1990-9 2000-8 2001-1 2001-2 BracesBandFoto

Joe Travolta