"Hey you! Absolutely watch this!"
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Madness präsentierten am 07. Juli 2006 "The Dangermen Sessions" auf der Bonner Museumsmeile. Davon angestochen brach unser Obermaat Lady Wow aus der Kommandozentrale der glorreichen "Onlinezine" aus. Hier das Ergebnis ihrer Fahnenflucht:
20 Jahre nach der Auflösung spielen Madness erneut auf der Open Air-Bühne der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle. Der Pressetext der gediegenen und zuletzt im Juli 2003 ebenfalls mit den "Slapstickers" als Vorband bedienten Location bringt aber nur etwas Licht ins Dunkel: die Band promotet diesmal ihren Longplayer "The Dangermen Sessions - Volume one". Die 13 Ska-, Reggae und Pop-Klassiker - unter anderem von Prince Buster, Desmond Dekker, Bob Marley, The Kinks und den Supremes - wurden schon letztes Jahr im bewährten 2/4-Ska-Beat veröffentlicht.
Ein coole Mischung
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Eine coole Mischung, die Madness im diesjährigen Set dem Publikum sehr gut gelaunt in homöopathischen Dosen zwischen den eigenen Krachern präsentierten. Eine gute Entscheidung, well done, lads! So konnte der Spannungsbogen mit den zumeist langsameren Cover-Stücken souverän aufrecht erhalten werden. Außerdem profitierten die Fans von der Promo mit einem Ticketpreis von 35,50 Euro. Vor drei Jahren kostete der Spaß noch 45 Schleifen. Wenn man bedenkt, was so manche Bands sich mittlerweile zu disponieren erfrechen, mag man diese unverbindliche Preisempfehlung als fair bezeichnen.
Dabei wusste ich bis zum Konzertbeginn nicht, was mir musikalisch blüht. Sind die Briten mit den Dangermen Sessions konsequent zu ihren Wurzeln zurück gekehrt und/oder suchen sie nach der langen Auszeit und dem siebten Longplayer "Wonderful" (1999) neuen kreativen Ausdruck und Inspiration unter alt bewährten und extremst erfolgreichem Markennamen? Eine berechtigte Frage, auch wenn Madness schon mit dem Bandnamen einen Klassiker zitieren und seit ihrem Beginn 1979 für freche und vergnügte Coverversionen bekannt sind. Onlinezine hätte die Band gerne persönlich befragt, aber keinen Interviewtermin vermittelt bekommen. Möglicherweise wären all die Fragen auch nur zu kleinlichen Wortklaubereien mutiert und im Nirgendwo geendet. Ob man nun Madness, Nutty Boys oder The Dangermen aka Madness heißt, ob und wen oder was man covert oder nicht, ist möglicherweise ganz egal. Zumal Madness ja sogar eine Reunion bestreiten, wie ein Allska-Interview mit Keyboarder Mike Barson aus dem letzten Jahr überschrieben ist. Außerdem fällt mir keine Ska-Band der zweiten Welle abgesehen von Madness, The Specials, The Selecter oder Bad Manners ein, die die alten Stücke nach Laurel Aitken und Desmond Dekker würdig(er) adaptieren sollten oder könnten.
der Klassiker
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Ich werde hier also nicht über künstlerische Burn-outs spekulieren,
sondern mich mal der schwierigen Spezies "Subkultur-Fan" widmen. Alt-Skaster
um die 40 haben noch vor Konzertbeginn die Zusammensetzung
des Publikums belästert. In der Tat war die Subkultur an der
Bonner Museumsmeile nicht unter sich, wenngleich gut vertreten. Und fordert so,
herzlich aber undankbar wie immer, eine wie auch immer geartete Exklusivität.
Ich sehe das gleichermaßen ähnlich wie entspannt, denn subkulturelles Beschweren
gehört zum Handwerk. Auch ein kleiner Szeneclub hätte unweigerlich dazu herausgefordert:
zu teuer, zu heiß, schlechte Luft, keine Sicht, schlechte Akustik... Außerdem
sind wir bei Madness mit einer Band konfrontiert, die bislang 21 Top Ten-Titel
in den britischen Charts platziert hat. Mit "Our House" sind sie, ob wir das nun
wollen oder nicht, auf jeder bundesdeutschen 80-er-Jahre oder Ü 30-Party präsent,
wetten? Ist also nichts mit Exklusivrechten auf diese Band! Mit diesem Wissen
und der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle als Location ist ein heterogenes Publikum
vorprogrammiert, will sagen: Kunst trifft Kommerz. Dieses Spannungsverhältnis
wird auch und gerade in Bezug auf die Subkultur immer wieder Thema sein. Trotzdem
ist l'art pour l'art aber gewiss nicht ausgeschlossen, auch wenn die Band offensichtlich
nicht von Luft und Liebe lebt. Wer kann oder möchte bewerten, ob die Jungs im
Studio rackern oder touren, um die glamourösen Wünsche der Ehefrauen und unmäßigen
der Pänz zu erfüllen!? Mir jedenfalls ist ganz herzlich Brause, ob sie mit ihren
Hit-Tantiemen nun genug oder nicht genug haben: Sozialneid ist provinziell. Und,
hey, es sind Künstler! Nach einigem Überlegen habe ich nur ein persönliches Schreckensszenario:Dass
Madness irgendwann einmal in einer drittklassigen TV-Show von so wichtigen Personen
der Zeitgeschichte wie Olli P. oder Aleksandra Bechtel huldvoll den Nimbus des
Kultigen zugesprochen erhalten. Möge also jeder seine persönliche Schmerzgrenze
frei festlegen. Bis meine erreicht ist, tanze ich bei passender Gelegenheit mit
Madness, Subkultur und Normalbürgern - lasse mir das Lästern aber auch nicht nehmen.
Posen für die Promo
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Spielfreude und -können kann man den Jungs auf gar keinen Fall
absprechen. Im Gegenteil, Madness haben auch den eigenen Klassikerstiefel sehr
lustvoll gespielt. Die lauten Fangesänge durften gerne schmeicheln und lang
anhaltender Applaus die Musikerseelen wärmen. Mit einem coolen, entspannten
Suggs (laut Band-Homepage 45 Jahre alt) zeigen Madness einen gereiften Frontmann,
der nicht einen elder Prince Nutty markiert. Er ist im Gegensatz zu dem einen
oder anderen mittlerweile gut mopsigen Bandkollegen auch optisch gut in Form
und im taubengrauen Anzug und schrillem Shirt smart in Schale. Singt und tanzt
lässig und ist sich auch nicht zu fein, sich um das Wohl der Fans vor der Bühne
zu sorgen. Ein schwarz-weißes Stofftier fliegt mit dem gar nicht arroganten
Hinweis ins Publikum zurück, dass es ja jetzt berührt sei. Mit sympathischer
Souveränität und wohl dosierter Selbstironie hat er die Meute perfekt im Griff.
M wie Madness
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Seine Mannen rackern dasselbe Ding musikalisch ab. Allerdings wäre die playlist mit "The Prince", "My girl", "Embarrassement", "Bed & Breakfast man", "House of Fun", "Tomorrow's just another day", "Baggy trousers", "Our House", "Wings of a dove" und - auch wieder als Zugabe - "Night boat to Cairo" dramaturgisch nahezu die selbe wie 2003. Da waren die neu interpretierten und eingestreuten Klassiker der Dangermen Sessions eine sehr angenehme Abwechslung. Genau wie die Tatsache, dass alle ausreichend Platz zum Tanzen hatten. Bis auf einige Dauernörgler sind die Meisten bei Madness mit Skank und Eigengesang wohl auf ihre Kosten gekommen.
Lady Wow aka Bettina
Herzlichen Dank
der Kunst- und Ausstellungshalle für die freundliche Unterstützung
www.madness.co.uk und www.allska.de
Christian und Markus für nettes Skanken und flüssige Verpflegung