Klasse Kriminale

Das von unserer Auslandskorrespondetin Daniela in August 2000 geführte Interview mit Marco haben wir aufgrunf der Länge in zwei Artikel geteilt. Dieser hier ist über seine Band. Im zweiten Teil äußert sich Marco zur Oi-Scene in seiner Heimat Italien.

Daniela: KK ist eine Gruppe, die im wahren Sinne des Wortes Geschichte gemacht hat ..Ihr existiert seit 15 Jahren und seid einer der bekanntesten italienischen Oi! Bands - wenn nicht die bekannteste überhaupt! Welche war die Enstehungsgeschichte der Gruppe und wie haben sich im Laufe der Jahren die verschiedene Line-up verändert?

Marco: KK bildeten sich in Frühling ´85 in Savona (Ligurien). Damals lernte ich Antonella (Guitar) kennen und zusammen haben wir Klasse-Kriminale-Abenteuer gestartet. Wir spielten mit verschiedenen Bassisten und Schlagzeugern. Als sie dann 1991 die Band verließ, habe ich allein das Projekt mit einem neuen Line-up fortgeführt.(...) 1985 war eine Zeit, als das Bedürfnis zu Kommunizieren sehr stark war. Die italienische Oi! und punk-Bewegung befand sich in einer Krisenphase. Der amerikanische HC gewann an Bedeutung und der Oi! wurde mehr und mehr durch die rechte Szene verseucht. Viele Bands lösten sich auf und die Übriggebliebenen hatten Schwierigkeiten überhaupt aufzutreten. Unsere erste selbstproduzierte Single "COSTRUITO IN ITALIA" (Havin´A Laugh Records) kam 1988 heraus und ein Jahr danach haben wir das erste Album "CI INCONTREREMO ANCORA UN GIORNO" gepreßt. Im gleichen Jahr haben wir zwei weitere wichtige Ziele erreicht: wir haben das erste Konzert im Ausland gespielt und waren Support von Angelic Upstarts in Bologna.(...)
Es gab ziemlich viel Abwechslung in der Konstellation der Band: einige Leute spielten nur für kurze Phasen mit, andere blieben länger. Einer davon war z.B. Manlio. Er spielte Bass und Guitarre und bis 1994 blieb in der Gruppe. Es war eine gute Zeit für die Gruppe und wir hatten die Chance mehr Konzerte zu geben, aber Manlio hat geheiratet und dann Probleme mit der Arbeit...also viel zu beschäftigt.. So habe ich wieder die Besetzung gewechselt und habe Riccardo und Betty von der Gruppe REAZIONE gefragt, ob sie auch bei KK mitmachen wollten. Es war 1995. Wir spielten drei Jahre lang zusammen und gaben in der Zeit viele Konzerte besonders in Italien. Man muß dazu sagen, daß obwohl KK seit 15 Jahren existieren, wir nicht so viele Konzerte machen konnten und der Grund dafür war, daß wir als Skinhead-Gruppe entstanden sind und eine Skinheads-Gefolgschaft hatten.(...). 1998 kam es dann wieder zu Veränderungen, ein vollkommen neues Line-up mit Jungs aus Savona, die seitdem dabei geblieben sind. KK sind heute Marco (vocals), Matteo (guitar), Emanuele (bass) und Mauro (drums).(...)

Daniela: "ELECTRIC CARAVANAS" wurde von Jimmy Pursey produziert. Wie seid ihr auf das Projekt gekommen? Wie war eure Zusammenarbeit?

Marco: Ich habe Jimmy Pursey in 1997 während der SHAM 69 Tour in Belgien kennengelernt. Ein paar Monate danach haben wir zusammen auf einem Punk-Festival in Italien gespielt. Da entstand die Idee an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. In Dezember ´98 haben wir Jimmy in Sussex besucht und da sehr hart in Studio gearbeitet.
Er hat uns durch sein Talent und Erfahrung enorm unterstützt. Er war eine Art von musikalischem Supervisor...er hat sozusagen die Songs arrangiert. Wir haben Ideen zusammen entwickelt, an Text und Musik gebastelt...Ich war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich habe nämlich mehr von J.P in einer Woche gelernt, als von KK in 15 Jahren!! Tolle Erfahrung.(...)

Danila: KK haben auch eine andere sehr interessante Kooperation im Jahr 1998 mit dem Luther Blisset-Project realisiert. (L-B ist ein sub- bzw. gegenkulturelles Multi-Name-Projekt, das seit Ende der 80er in Bologna entstanden ist. Aktionismus, Chaos und Sabotage sind Schlagworte des Manifestos der anonymen Gruppe, die sich in der Öffentlichkeit durch späktakuläre Aktionen als Kulturterrosisten einen Namen gemacht haben.) Das Ergebnis war die Single MIND INVADERS, die von MAD BUTCHER produziert wurde. Kannst zu dieser Erfahrung etwas mehr sagen?

Marco: Die Geschichte fing schon 1997 an, als ich den Schriftsteller Stewart Home kennengelernt habe. Home ist ein Skinhead und in seinen Bücher, wie z.B. "Red London" erzählt er von Skins und Punks, von Terrorismus, Gewalt.. Durch ihn bin ich mit Luther Blisset und dem Konzept von "Multi-Name" in Kontakt gekommen. Die Idee, die dahinter steckt, ist sehr einfach: In unserer Gesellschaft, wo alles wegen der herrschenden Gleichförmigkeit kontrollierbar ist, ist die Identität dem Einzelnen zum Verhängnis geworden. Durch die Aufhebung der eigenen Identität, indem man Niemand oder Alle wird, ist man der staatlichen Kontrolle entzogen. Und wenn man nicht identifizierbar ist, ist man in der Lage das System zu sabotieren. Die Arbeit von L.B. hat sich v.a. durch lustige Aktionen gekennzeichnet.. kein richtiger Terrorismus (...).
Die Platte MIND INVADERS ist die musikalische Punk Fassung von Blissets Philosophie, dessen Message ich auch teile...das ist eine Art von IF THE KIDS ARE UNITED des Jahres 2000..."Du bist ich, ich bin du/ Ohne Namen, alle frei/ Wenn sie uns nicht erkennen, werden sie uns nicht festnehmen/ Wenn sie uns nicht identifizieren, werden sie uns nicht zerschlagen(..)/ United, United.." (...)

Daniela: Eure Pläne für die Zukünft?

Marco: Am Anfang September werden wir das Album "STAI VIVENDO O STAI SOPRAVVIVENDO?" (="Lebst du, oder überlebst du?") in Deutschland aufnehmen...das Album wird wahrscheinlich im Dezember herausgebracht. Ich lege viel Wert auf die Platte ..der Sound ist hier mehr Punk, also kräftiger, aber gleichzeitig melodisch. Anschließend werde ich eine Mini-Tour Mitte September in Deutschland machen, Holidays in The Sun in Baskenland und Mitte Oktober nehmen wir an den Oi! Festival in Venezia mit Angelic Upstarts, Stage Bottles und Los Fastidios teil. Und dann vielleicht U.S.A...

Daniela: Welches war es KK bestes und schlechtestes Konzert?

Marco: KK haben eigentlich nicht so viele Konzerte gemacht. Ungefähr 130- 150. Das war auch gut, weil wir dadurch niemals in Routine gefallen sind. Jedes Konzert bedeutete eine Etappe in der Geschichte von KK, weil damit auch Ziele verbunden waren. Jedes Konzert war besonders und erlebnisreich, ich kann nicht sagen welches am besten oder am schlechtesten war. Alle waren wichtig.

Daniela: Was macht Marco in der Freizeit?

Marco: Meine ganze Freizeit hat immer um die Bewegung, um die Musik gekreist. Zwischen Arbeit, Musik spielen, Konzerte, Kontakte pflegen, Fanzine schreiben ist es mir nicht so viel Zeit übriggeblieben. In der letzten Zeit bin ich weniger hektisch geworden und möchte entspannter andere Freude des Lebens geniessen (ah..ah...ah).

Interview und Übersetzung: Daniela