Calamities: all female rocksteady aus Köln

Das Onlinezine hat sich mit einem der ersten Artikel mit den Calamities, der weiblichen Rocksteadyformation aus der Domstadt, schon einmal beschäftigt. Das war vor einem Jahr. Beim "Aufräumen" bin ich heute über ihn gestolpert. Warum setze ich mich noch einmal mit ihnen auseinander?

Nun, zum einen finde ich die Kalamitäten nach wie vor ein Phänomen, daß ich mir vielleicht selbst auch noch einmal erklären muß. Zum anderen hat sich diese Band im letzten Jahr so gesteigert, daß das eine Erwähnung wert ist. Warum Phänomen? Anfänglich war das klar: wo finde ich schon eine Rocksteadyformation, die zudem nur aus Frauen besteht? Es war also bestimmt eine dicke Prise persönlicher Charme, der mich zu den Konzerten zog. Dazu sagte ich vor über einem Jahr: "Das nicht immer voll professionell vorgetragene Set kann den Charme dieser Band nicht mindern.". Genau dieser Charme ist geblieben. Viel wichtiger ist aber, und das ist mein zweiter Punkt: die Calamities habe sich massiv qualitativ gesteigert. Sie sind eine Band geworden, die sich über den "huch, sind die süß!" Status selbst erhoben haben. Massive Livepräsenz brachte ihnen abseits Ihrer Kölner Lokalheroenstellung deutschlandweit einige Fans.

time for actionSouveränität ist das Schlagwort: wo anfänglich Schwächen waren, wird jetzt solide gespielt und ein gewisser Showeffekt erreicht. Dabei war es nicht einfach: jeder kann sich vorstellen, daß es kein Spaß ist, eine derart große Band zu koordinieren. So geschah es auch das ein oder andere Mal, daß Gastmusiker einsprangen, oder eine Musikerin von weither "eingeflogen" werden mußte. Zu Gast bei den Calamities waren zum Beispiel Steffi, die Keyboarderin der Braces oder Mathes, Ex- Monkey Shop Drummer. Erschwerend hat sich das Besetzungskarussel gedreht neben der abtrünnigen Orgel vermißt man derzeit noch ein Saxofon.

Mit den Gigs kamen nicht nur Erfahrungen und Spaß, sondern auch die eine oder andere kuriose Situation. Zum Beispiel vor Desmond Dekker in Roßlau/ Sachsen-Anhalt: die Orgel folgte mitten im Set den Gesetzen der Schwerkraft. Ich habe gelacht, kann mir aber vorstellen, daß auf der Bühne kurzzeitig eine andere Stimmung herrschte. Die Situation wurde gemeistert und den Widrigkeiten einer nicht nachvollziehbaren Position im Line Up getrotzt. Wer kommt eigentlich auf die Idee, eine relativ unbekannte Band zwischen zwei Lokalheroen und Desmond Dekker spielen zu lassen?

Bin ich jetzt zum männlichen Groupie geworden? Na, ein bißchen vielleicht. Maßgeblich dazu beigetragen hat eine Single, die im unten stehenden Interview angekündigt wurde. Das Review dazu findet Ihr, wo es hingehört: in der entsprechenden Onlinezine Rubrik. Die 7" ist bei Brutus Records in Köln erschienen und unter anderem bei Moskito erhältlich.

Weiter geht es für die Kölnerinnen mit einigen Gigs im Rhein- und Ausland, schaut einfachmal in die Termine oder auf die wirklich genialen Bandpage! Zum Abschluß dieses Artikels gebe ich noch einmal das zugegebenermaßen etwas veraltete Interview vom letzten Jahr zum besten, da hieß es damals unter der Überschrift "Kölner Kalamitäten":

 

Durch drei gute Konzerte in der Gegend von Köln fiel mir eine (relativ) neue Formation auf: die Calamities. Die 8-köpfige Frauenband hat sich vor allem dem Rocksteady, aber auch dem Ska verschrieben.

ChrizziZugegeben: zuerst fiel auch mir die seltene Konstellation auf! 8 Frauen spielen in einer Skaband, das ist nicht nur in dieser Musikszene eine Seltenheit. Was allerdings weitaus wichtiger ist (wenn auch genauso angenehm), ist der Stil, den die Köllnerinnen auf die Bühne legen. Hier bekommt man  keine Hochgeschwindigkeitskonzerte, sondern entspannten Rocksteady und Ska geboten. Das ist, zumindest auf Konzerten, selten geworden und beschert den Calamities einen Bonus beim Publikum. Eine warme Frontstimme und schöne Backgrounds runden diesen Eindruck ab. Das nicht immer voll professionell vorgetragene Set kann den Charme dieser Band nicht mindern. Alles in allem ist ein Konzert der Calamities ein etwas anderer Genuß in einer Zeit, in der Skabands im stetigen Kampf um das blaue Band für die schnellste Bühnenüberquerung ein wenig vergessen, wie schön entspannt ein Konzert eigentlich sein kann... Ich traf mich am 23.5. mit den Calamities auf der Dachterasse eines Cafés in Köln, um mit ihnen dieses Interview zu führen:

Onlinezine: Meine erste Frage ist die nach der Bandbesetzung.

KatharinaKatharina: Okay, Valérie spielt Gitarre, Ina ist die Sängerin, macht auch ein bißchen Percussion, Uli spielt Trompete, die Bettina spielt Tenorsaxophon und Sopransaxophon, die Lucie aus Tschechien spielt Keyboards, Katharina spielt Schlagzeug, die schöne, nette Bassistin hier neben mir heißt Chrizzi und Marisol spielt Altsaxophon.

Onlinezine: Wann habt ihr euch gegründet?

Katharina: Das ist eine komplizierte Sache. Wir haben uns erst zu viert gegründet, das waren Valérie, Ina, Ines und ich. Das waren Baß, Gitarre, Schlagzeug und Gesang. Das war im Frühjahr ´97. (nach kurzem hin und her entscheidet man sich dann für Februar ´97)

Onlinezine: Ihr seid ja eine der wenigen Bands hier in der Gegend, die nur aus Frauen bestehen. War das Zufall oder Absicht?

InaIna: Beabsichtigt!

Katharina: Beabsichtigt, ja!(kurzes Gelächter läßt mich ahnen, daß man es hier nicht so genau nimmt) Nein, es war Zufall, es hat sich eher ergeben, als das es Absicht war.

Onlinezine: Wenn ihr eine Umbesetzung haben solltet, wäre dann ein Mann verpönt?

Katharina: Hätte ich persönlich nicht so gerne, muß ich sagen.

Valérie: Ich fänd´s auch nicht so gut.

Katharina: Ich find´s, glaube ich, nett. So, mit den Frauen. Das erklärt auch, warum es sich ergeben hat. Ganz einfach irgendwie...

BettinaBettina: Nett, halt.

Onlinezine: Die Resonanz auf Eure Konzerte war, soweit ich das mitbekommen habe, sehr gut.

Bettina: Du warst nicht in Wuppertal! Das war weniger gut.

Onlinezine: Denkt ihr, daß ihr einen Bonus habt, aufgrund dessen, daß ihr eine reine Frauenband seid?

Valérie: Nee!

Ina: Jo! (ich hätte diese Frage nicht stellen sollen, sie wird von den Calamities nicht mit dem nötigen Ernst behandelt J)

Lucie: Ich glaube, die Leute sind schon neugierig, haa, 8 Mädchen. Die dann auch noch Musik machen.

UliUli: Und dann auch noch Bläser, ich glaube, das ist schon ungewöhnlich.

Onlinezine: Wie ist denn euer Stil zustande gekommen? (und wieder ernte ich Gelächter: werde ich hier nicht ernst genommen?) Mache ich irgendwas falsch?

Valérie: Nee!

Katharina: Stil und Geschwindigkeit. Ja, wir wollten ursprünglich nur Rocksteady machen und ein paar Skastücke und irgendwie hat es sich auch wieder so ergeben, daß die Skastücke zum Teil mehr Spaß gemacht haben.

Valérie: Das ist eine Sache, die dadurch entsteht, daß wir total unterschiedliche Stile bevorzugen. Ein paar von uns würden es lieber viel schneller machen, als wir das eigentlich machen und einige würden das lieber viel langsamer machen.

Onlinezine: Insgesamt spielt ihr schon ein sehr gemäßigtes Tempo. Soll das so bleiben?

Valérie gets ready for actionValérie: Das läuft ganz gut, denke ich. Das ist eine Sache, die auch sehr ungewöhnlich ist, für deutsche Skabands. Und es liegt uns, glaube ich. Wir machen auch viele Swingsachen, was eher ungewöhnlich ist.

OnlineZine: Wobei man ja sagen muß, das Swing im Moment stark in den Trend kommt.

Valérie: Kommt. Aber wir spielen es schon. Aber im Ernst: die klassischen deutschen Skabands machen sehr straighte Sachen.

Katharina: Wir wollten eigentlich eine Rocksteadyband sein, die auch Ska spielt.

Valérie: Aber das entwickelt sich ja auch.

Katharina: Wir machen das eher nach dem Spaßprinzip. Jeder hört sich Tapes an und sagt dann: das Stück finde ich total geil, das würde ich gerne machen! Und dann wird´s halt gemacht.

onlinezine: Wie hoch ist euer Coveranteil im Moment?

Bettina: Sehr hoch!

Ina: Wird sich aber ändern. Ich möchte weg von dieser Coverband, muß ich sagen. Ich würde gern eigene Sachen machen.

Tja, da dürfen wir uns drauf freuen: was ich bis jetzt an eigenen Stücken von den Calamities gehört habe, hat mir gefallen. Demnächst wollen die Kölnerinnen aufnehmen, um eine Do It Yourself Single herauszubringen. Ich wünsche dabei jedenfalls viel Spaß und... Erfolg!

 

So, das war nun das interview, etwas älter halt... Wenn es etwas neues gibt, werden wir Euch unterrichten!

joe