Balthaser Eck ist keine Location

 

Ein paar Worte jüngerer Zeitgeschichte: Love Parade, CSD, Junkies und der kölsche Köbes. Von Rebel Rentner geschrieben, ursprünglich im genialen "Riversdie Junior" erschienen, dürfen wir das Machwerk ins Internet setzen. Dank an Rebel Rentner und die Borderland Crew vom Riverside Junior.

"One World - One Future", "The Musik is the Key", "One World - One Love Parade"! Doch, doch, Dr. Mottenkugel ist schon sehr einfallsreich, wenn er jedes Jahr das Motto (wird deshalb auch manchmal Dr. Motto genannt, nein wie lustig) der Love Parade in Berlin bekannt gibt. Und dann wird in der Presse einhellig gejubelt: "Berlins fröhliches Geschenk an die Welt" oder gar "die größte und liebevollste Party aller Zeiten". Das ist natürlich Humbug, weiß doch jeder, daß die Love Parade das größte Dorftrotteltreffen einer relativ gleichgeschalteten Jugend(?) ist. Da wird im Gleichschritt gezappelt, auf Kommando gute Laune gemimt und zu allem Überfluß wird dies auch noch als Polit-Demonstration verkauft. Sogar die Junge Union ravet auf dem Megaevent (was ein Scheißwort) mit und selbst Gottlieb Fischer war sich letztes Jahr nicht zu doof, mitzutuen auf der großen Mitmachparade. Wenn man aus dem allerletzten Kuhnest kommt (und daher kommen sicher viele, die nach Berlin zur L.P. fahren) und keine Freunde hat, dann kann man auch mit dem Love-Express nach Berlin anraven. Schon im Tanzwagen der Deutschen Bundesbahn kommt Raverstimmung auf, denn Party-DJs heizen den Partypeople ganz schön dolle ein. Im Preis (119,- + Steuern) sind auch ein Survival-Package und ein T-Shirt inbegriffen. Merke also: willst Du Dich völlig zum Löffel machen, dann lasse Dich von EinsLive als Partypeople bezeichnen, ziehe ein Love-Parade-T-Shirt an und dann damit auf besagter L.P. durch einheitliches Zucken und andere spastishe Bewegungsabläufe Deine Liebe der ganzen Welt kundzutun, getreu dem Motto "One Bombenhagel in the Love Parade is the key to happiness for the rest the world"!

Als ich letzte Woche mit Tanja in den Park ging, um etwas von den seltenen Sonnenstrahlen dieser Zeit abzubekommen, stand an der Straßenecke ein vollgepisster Penner, brabbelte, lachte, schrie und zappelte dabei umher. Als wir zwei Stunden später wiederzurückkehrten, hatte der Gute seinen Kampftrinkerplatz um 50 m nach rechts verlagert, wackelte immer noch im selben Taktherum und grunzte in die fahle Abendsonne. Das fand ich soweit noch lustig, obwohl das ja eigentlich traurig ist. Doch als ich wiederum 3 Stunden später im Bett lag und Fernsehen glotzte, hörte ich immer noch das Geschrei. Also machte ich das Fenster zu um eine Stunde später aus dem Schlaf gerissen zu werden, weil die Schreierei auch durch das geschlossene Fenster schallte und der Penner mir auf den Sack ging. Ist Köln etwa schon so tolerant, daß es keinen stört, wenn ein Berber den ganzen Tag und die ganze Nacht vor irgendwelchen Wohnhäusern steht und krakeelt!?!

Als ich letztens in die U-Bahn wollte, saß ein Junkie auf den Treppen und blaffte mich an:
"Haste mal 3,50 DM?"
Ich antwortete: "Wieso nicht gleich 10 Mark"?
Er: "Wat"?
Ich :"Wieso nicht gleich 10 Mark"?
Er: "Weil ich nicht soviel brauch!"
Ich: "Na, dann ist doch alles gut!"


Ein anderer Junkie stand letztens vorm Stüssgen und versuchte, sich eine Nadel in den Arm zu rammen, ganz öffentlich, er hatte scheinbar nicht mal mehr die sonstigen Suchtbenimmmanieren, d.h. er hatte keinen Busch, kein schmieriges Bahnhofsklo, keine vermüllte Hecke, nein, er hatte sich den Bürgersteig vorm Stüssgen dafür ausgesucht. Das Blut lief den von Schruden und Löchern übersäten Arm herunter. Ich wollte eigentlich was essen, doch der Appetit war mir vergangen und um nicht in einen dubiosen Junkiehass nicht zu zerfallen, sah ich mir "Trainspotting" an. Dort sehen die Junkies cool aus, sind immer gut drauf, haben keine Oben-kurz-hinten-lang-Frisur und auch keine Schnürlederhosen. Sie heißen nicht Django, Speedy, Lines, Aitschy oder sogar Termy (von Terminator). Und vor allem Schnorren sie nicht aggressiv durch die Gegend. Es sind halt Schauspieler, die Junkies spielen, aber keine echten Junkies sind. Und das macht den Film so angenehm.

Letzten Monat war ich etwa für 'ne halbe Stunde biem Christopher Street Day in Köln, dieser "Karnevalszug" von Schwulen und Lesben, kennt ja wohl jeder. Eigentlich war der Zug öde wie immer, wenig Schwule auf den Wagen, dafür aber um so mehr nicht homosexuelle Promis (wieder so ein Scheißwort), die scheinbar überall sein müssen, wo 'ne Kamera auftaucht. Von Schauspielern bis "Big Brother"-Idioten durfte sich jeder auf dem Schwulenkarneval anbiedern. Ansonsten viel Techno-bum-bum, halt wie die L.P. in Berlin, also ziemlich gähn und wenn Oberflächlichkeit ein zu Hause hat, dann hier! Doch eine Sache war noch ganz witzig, nämlich der "Türkisch-Gay-Wagen". Ja, ihr habt richtig gelesen, ein Truck voller schwuler Kletschtürken, die ihre knapp bekleideten Körper tuntig durch die Gegend schwenkten. Da musste ich sofort an die Gesichter ihrer Väter, Brüder, Großväter etc. denken und die Vorstellung machte mir Spaß. So fuhr ich halbwegs gut gelaunt wieder nach Hause.

Wo wir schon bei hippen Schwulen sind, fallen mir gerade auch die hippen Bedinungen in hippen Szenelocations (so heißt das heute) ein. Man setzt sich also in ein besagtes und angesagtes Cafè und wartet aufdie Bedienung. Die lümmelt sich aber auf der Theke rum, umlagert von gepiercten Yuppies mit lustigen Abstehhaaren und eingeklappten Kickboards (das sind trendy Tretroller). Gut: man merkt also, man gehört nicht mit zur Szene, aber man könnte doch trotzdem etwas serviert bekommen, man zahlt ja schließlich auch mit der guten DM. Wenn nach 5 Minuten noch nichts passiert, geht man vorsichtig zur Theke, um höflich durch die illustre Plauderrunde nach einem Kaffee zu fragen. "Moment, komme ja gleich", blafft mich die Augenbrauen-gepiercte und Tribal-tätowierte Dame an. Irgendwann bekommt man den Kaffee auf den Tisch geklatscht und muss noch direkt bezahlen ohne ein Danke für das Trinkgeld zu hören.

Also geht man am nächsten Abend in die Eckkneipe, denn in the old man's bar wird man von einem beschützten Wirt gut behandelt, und das Kölsch ist frisch und preiswert (1,70 DM). Das Gedeck kostet nach Zusammensetzung 2,10 DM - 3,00 DM und man kann zwischendurch einen halve Hahn (Käsebrötchen) oder kölsche Kaviar (Blutwurst gebraten) zu sich nehmen. Der Wirt sagt jedesmal "zum Wohlsein" und streicht einen Strich mehr auf den Deckel, solang bis man voller Inbrust lallen kann: "Der Deckel ist rundgesoffen!". Gut ist auch, daß man nicht durch aufdringliches, dröhnend lautes Elektronikgebrummel oder andere musikalische Fehlleistung gestört wird (wie etwa die neue Westernhagen-CD, das ist schon Folter pur) und so fröhlich dem Zechen frönen kann. Die alten Männer um einen herum erzählen Geschichten, die mal mehr, mal weniger interesant sind - ab und zu werden sie auch mal aggressiv und wollen aufeinander losgehen, doch dann schreitet Wirt Willi ein, und die Heinriche, Alfonse, Josefs und Karl-Heinze beruhigen sich wieder und schon gewinnt der Geräuschpegel des Spülwasserhahnes die Oberhand und das leise Summen des Radios, meist WDR 4. Hübsche junge Damen sind hier selten anzutreffen, aber eins ist sicher: die anwesenden Alkoholiker haben keine neunmalklugen Scheißkinder, die sie Malte, Jonathan, Nèle oder Lukas (Bioladenschwaben sagen Lukasch) nennen würden. Denn sie sind ja keine Bioladenbesitzer und verkaufen kein muffiges, verschrumpeltes Gemüse für ein Heidengeld. Aber das ist eine andere Geschichte. Und damit keiner von Euch auf die Idee kommt, seine Kinder zu Strebern zu erziehen, schicke ich zwei Bilder mit von zwei kleinen Arschgesichtern, die mit 14 das Abitur gemacht haben und von der Presse zu unrecht gefeiert werden. Dann doch lieber Hauptschulabschluß 87 und dafür...ach, urteilt doch selbst!

Euer Rebel Rentner